In:
Historische Zeitschrift, Walter de Gruyter GmbH, Vol. 305, No. 2 ( 2017-10-01), p. 307-333
Abstract:
Der Aufsatz geht der Frage nach, in welchen historischen Situationen, unter welchen Bedingungen, auf das Losverfahren bei der Besetzung hoher kirchlicher Ämter in den christlichen Institutionen des Mittelalters zurückgegriffen wurde. Im Mittelpunkt stehen dabei mögliche Motive der Beteiligten, diesem Entscheidungsmodus gegenüber der Wahl den Vorzug zu geben. Außer dem Beweggrund, für jeden die Zugänglichkeit von Ämtern zu ermöglichen und bestimmte, ungleich verteilte Qualifikationen auszuschließen, lassen sich weitere Motive der Akteure feststellen. So ist zunächst in allen betrachteten Fällen eine Externalisierung der Entscheidung, das heißt, eine Übertragung auf eine äußere Instanz, und zwar Gott, zu konstatieren. In mehreren Fällen ist zudem eine Anwendung des Losverfahrens zur Abwehr äußerer Einflussnahmen und zur Lösung von Konflikten zu beobachten. So griff man insbesondere bei gleichstarker Kräfteverteilung zwischen den Konfliktparteien als Kompromiss auf das Losen zurück. Für reformorientierte christliche Gemeinschaften wie die Katharer und die Böhmischen Brüder diente der Bezug auf das Losen in der urchristlichen Gemeinde in erster Linie dazu, sich deutlich von der Amtskirche abzusetzen; man stellte sich damit bewusst außerhalb des Kirchenrechts. Zugleich war aus dem Exempel der Heiligen Schrift eine starke Legitimation für die eigene Position zu beziehen. Der knappe Überblick über die Organisierung von Losverfahren bei der Besetzung hoher Kirchenämter im Mittelalter macht deutlich, dass eine Entscheidungsfindung durch das Los keineswegs irrational ist.
Type of Medium:
Online Resource
ISSN:
2196-680X
,
0018-2613
DOI:
10.1515/hzhz-2017-0027
Language:
English
Publisher:
Walter de Gruyter GmbH
Publication Date:
2017
detail.hit.zdb_id:
2052403-1
detail.hit.zdb_id:
2450857-3
detail.hit.zdb_id:
120689-8
SSG:
0
SSG:
1
SSG:
8
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