Hintergrund und Fragestellung

In der medizinischen Versorgung stellt die Nutzung anonymer Zwischenfallmeldesysteme („critical incident reporting systems“ [CIRS]) eine weit verbreitete und etablierte Strategie zur Verbesserung der Patientensicherheit dar. International wird seit der Publikation „To err is human“ des Institute of Medicine derartigen Systemen eine zentrale Rolle für das Lernen aus Zwischenfällen oder Fehlern zugeschrieben [9]; diese Sicht unterstreicht auch die Weltgesundheitsorganisation WHO [21]. Nachdem dieses Werkzeug initial in der Luftfahrt etabliert wurde („ASRS – Aviation Safety Reporting System“), greifen mittlerweile verschiedenste sicherheitskritische Industrien darauf zurück.

Zwischenfallmeldesysteme stellen eine mögliche Infrastruktur, um Prozesse der Patientenversorgung zu untersuchen, kritische Ereignisse und Fehler zu analysieren und den sozialen Prozess des „Lernens aus Zwischenfällen“ positiv zu beeinflussen [5, 12]. Durch Auswertung der Meldungen können Einzelfälle sehr detailliert besprochen, aber auch ggf. relevante systemische Themen identifiziert und Erkenntnisse bezüglich zukünftiger Verbesserungsmöglichkeiten gewonnen werden.

Insbesondere in der Notfallmedizin als risikobehaftetem, hochdynamischem Umfeld findet sich ein enormes Lern- und Verbesserungspotenzial bei der Verwendung von CIR-Systemen. Eine große Herausforderung stellt dabei jedoch das systemische Lernen aus diesen Meldungen dar, das über die Diskussion einzelner Fälle (z. B. anhand von „case reports“) hinausgeht. Seit 2005 ist eine Vielzahl von Plattformen entstanden, auf denen Fälle gesammelt und ggf. analysiert werden [18]. Diese sind teilweise an die Bundesärztekammer oder Berufsverbände angegliedert (z. B. cirsmedical.de, CIRS-AINS), durch an der präklinischen Versorgung beteiligte Gruppen und Personen organisiert (cirs.bayern) oder werden durch Privatunternehmen zur Verfügung gestellt. CIRS-AINS ist ein bundesweites Zwischenfallmeldesystem („incident reporting system“) für die anonyme Erfassung und Analyse von sicherheitsrelevanten Ereignissen in der Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie. Es stellt ein Modellprojekt der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Bundesärztekammer (BÄK) dar. Meldungen können online unter https://www.cirs-ains.de/ erfolgen, hierbei besteht keine Zugangsbeschränkung. Auf Wunsch der Nutzer kann die Fallanalyse durch ein Expertenteam erfolgen; hierdurch werden den meldenden Organisationen wertvolle Hinweise zur Einordnung der Ereignisse gegeben und Möglichkeiten bzw. Impulse für die Veränderung und Optimierung der Patientenversorgung aufgezeigt.

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, die notfallmedizinischen Meldungen in CIRS-AINS aus dem Rettungsdienst, der Notaufnahme und der Schockraumversorgung hinsichtlich der gemeldeten Themen zu kategorisieren und wiederkehrende Ursachen der Zwischenfallentstehung zu identifizieren sowie Potenziale zur Verbesserung aufzuzeigen.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

In einer retrospektiven Datenbankanalyse wurden aus allen Meldungen der CIRS-AINS-Datenbank aus dem Zeitraum von April 2010 bis Juni 2019 diejenigen mit notfallmedizinischem Kontext (präklinische Versorgung im Rettungsdienst, innerklinische Versorgung in Schockraum oder Notaufnahme) herausgefiltert und in die Auswertung eingeschlossen. Hierfür wurden zunächst alle Meldungen erfasst, bei denen in der Eingabemaske der Datenbank unter „Wo ist das Ereignis passiert“ der Bereich „Rettungsdienst“ ausgewählt wurde. Von allen Meldungen mit dem Ursprung „Klinik“ wurden diejenigen in die Analyse eingeschlossen, bei denen die Unterkategorie „Notfallaufnahme“ angegeben war. Diese Fälle wurden in einem zweiten Schritt weiter in die Kategorien „Schockraum (SR)“ und „Notfallaufnahme (ZNA)“ untergliedert. Alle Meldungen, bei denen die Option „anderer Ort“ gewählt wurde, wurden manuell überprüft und ggf. in die jeweilige Gruppe aufgenommen. Im nächsten Schritt wurden alle Elemente des CIRS-AINS-Meldebogens (z. B. Ort, Zeitpunkt, Fachgebiet, Berufserfahrung, Berufsgruppe, ASA-Klassifikation etc.; siehe Tab. 1; Beispielmeldung siehe Infobox 1) sowie die Vollständigkeit der Meldung deskriptiv erfasst und der Umfang der Freitextmeldungen analysiert.

Tab. 1 Elemente des CIRS-AINS-Meldebogens und Antwortmöglichkeiten

In einem iterativen Prozess wurden häufig gemeldete Themen und Probleme identifiziert und darauf basierend Kategorien für die weitere Analyse gebildet. Die Meldungen wurden in diese Kategorien eingeteilt, wobei eine Meldung in mehrere Kategorien fallen konnte:

  • Medizinprodukt: Ein Medizinprodukt war maßgeblich in das Ereignis involviert.

  • Medikament: Ein Ereignis entstand im Zusammenhang mit der Logistik oder Gabe eines Medikaments.

  • Blutprodukt: Ein Ereignis entstand im Zusammenhang mit der Logistik oder Applikation von Blutprodukten.

  • Konflikt/Kommunikation: Ein Teamkonflikt bzw. Kommunikationsproblem trug maßgeblich zu dem Ereignis bei.

  • Atemweg: Es trat ein Ereignis im Zusammenhang mit dem Atemwegsmanagement auf.

  • Schnittstelle: Ein Ereignis trat im Zusammenhang mit der Verbringung eines Patienten von einem Versorgungsbereich in einen anderen auf.

Darüber hinaus wurde ausgewertet, durch wen (Arzt/Ärztin, Pflegekraft, andere) die Meldung erfolgte.

Die Auswertung erfolgte mit Microsoft® Excel® (Microsoft Corp., Redmont, WA, USA) für Microsoft 365. Die Studie wurde durch die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg genehmigt (S-775/2018).

Ergebnisse

Im betrachteten Zeitraum wurden 6013 CIRS-Fälle von 94 teilnehmenden Kliniken gemeldet, wovon 198 die Einschlusskriterien für die vorliegende Auswertung erfüllten. Aufgrund von Umstrukturierungen der CIRS-AINS-Datenbank in der Anfangszeit des Systems konnte auf die Fälle der Monate 4/2010, 7/2010 und 12/2011 nicht zugegriffen werden, sodass diese nicht in die Analyse einbezogen wurden.

Örtlichkeit

Der überwiegende Teil der Meldungen bezog sich auf die präklinische Versorgung im Rettungsdienst (n = 79, 39,9 %) und die Schockraumversorgung (n = 77, 38,9 %), Meldungen aus der Notaufnahme außerhalb des Schockraums machten einen etwas geringeren Anteil aus (n = 42, 21,2 %). Die häufigsten Gründe für CIRS-Meldungen über alle Bereiche hinweg waren Teamkonflikte/Kommunikationsprobleme (n = 64, 30,2 %), Zwischenfälle mit Medizinprodukten (n = 56, 26,4 %) und Schnittstellenprobleme (n = 32, 15,1 %). Andere Meldegründe waren insgesamt seltener (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Zuordnung der notfallmedizinischen Meldungen in CIRS-AINS zu Kategorien (mehrere Kategorien pro Meldung möglich)

Inhalt

Bei differenzierter inhaltlicher Betrachtung der Meldungen aus den einzelnen Bereichen fanden sich im Rettungsdienst vorrangig Zwischenfälle mit Medikamenten (n = 35, 31,6 %) und Medizinprodukten (n = 19, 24,1 %), gefolgt von Teamkonflikten und Kommunikationsproblemen (n = 18, 22,8 %; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Anteil der verschiedenen Kategorien an den Meldungen in CIRS-AINS (n = 198) nach Lokalisation in %

Im Schockraum hingegen standen mit 41,6 % (n = 30) Teamkonflikte und Kommunikationsprobleme im Vordergrund, gefolgt auch hier von Zwischenfällen mit Medizinprodukten (n = 25, 37,7 %).

Bei den Meldungen aus der Notaufnahme (exklusive Schockraum) stellten ebenfalls Teamkonflikte und Kommunikationsprobleme mit 33,3 % (n = 14) den führenden Meldegrund dar. Schnittstellenprobleme waren im Bereich der Notaufnahme auf Platz zwei (n = 12, 28,6 %), während Zwischenfälle mit Medizinprodukten hier seltener waren (n = 8, 19,0 %; Abb. 2).

Im Rahmen der Durchsicht der Meldungen im Zusammenhang mit Medizinprodukten (n = 56) fiel auf, dass es sich meist um Probleme mit Monitor‑/Defibrillatoreinheiten oder Beatmungsgeräten/O2-Versorgung (n = 24, 42,9 % bzw. n = 17, 30,4 % der Zwischenfälle mit Medizinprodukten) handelte.

Die Meldungen im Zusammenhang mit Blutprodukten (n = 13) bezogen sich in 69,2 % (n = 9) der Fälle auf Probleme in der Logistik zwischen Blutbank und Schockraum bzw. Notaufnahme. Von diesen 13 Meldungen bezogen sich 11 auf den Schockraum.

Während im Rettungsdienst und im Schockraum jeweils ca. 70 % der CIRS-Meldungen durch ärztliches Personal erfolgten, war dies in der Notaufnahme nur in 33 % der Fall.

Für eine differenzierte Übersicht der gemeldeten Probleme nach Kategorien siehe Tab. 2.

Tab. 2 Anzahl der gemeldeten Probleme der notfallmedizinischen CIRS-AINS-Fälle nach Kategorien

Diskussion

In der vorliegenden Arbeit konnten aus 198 Fällen Erkenntnisse über den Inhalt der Fallbeschreibungen notfallmedizinischer CIRS-Meldungen gewonnen werden. Die Meldungen machten 3,3 % des Gesamtmeldevolumens von 6013 Zwischenfällen der Datenbank aus. Dabei muss betont werden, dass Meldezahlen aus CIRS nicht mit tatsächlichen Inzidenzen gleichgesetzt werden dürfen. Die Meldungen erfolgen freiwillig, wobei das Meldeverhalten durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, unter anderem Kenntnis von und Zugang zum System, Zeit und Motivation zu melden, persönliche Betroffenheit durch das Ereignis oder Ausmaß der Gefährdung für den Patienten bzw. das Team [7, 8]. Aus Sicht der Sicherheitsforschung gilt als Erfolgskriterium eines Incident-reporting-Systems nicht die Anzahl der eingegebenen Meldungen, sondern das Ausmaß der aus den Meldungen resultierenden systemischen Veränderung und Risikoreduktion [15]. Die vorliegende Analyse kann dazu beitragen, Problemfelder zu identifizieren, Mitarbeiter zu sensibilisieren und Optimierungspotenzial aufzuzeigen [12].

Insgesamt fällt bei Betrachtung der notfallmedizinischen Versorgung in unterschiedlichen Lokalisationen auf, dass der Anteil verschiedener Themen in den Meldungen deutlich variiert. Auch bezüglich der hauptsächlich meldenden Berufsgruppe bestanden relevante Unterschiede.

Im Rettungsdienst erfolgten vorwiegend Meldungen im Zusammenhang mit Medikamenten (exemplarisch siehe Infobox). Bei näherer Betrachtung der einzelnen Meldungen stehen hierbei Medikamentenverwechslungen im Vordergrund, welche teilweise erst nach Applikation bemerkt wurden. Es fällt auf, dass hierbei häufig keine Kennzeichnung mit standardisierten Spritzenetiketten nach Norm ISO 26835 vorgenommen wurde. Die Wichtigkeit einer standardisierten Kennzeichnung ist sowohl im klinischen als auch im präklinischen Umfeld seit über einem Jahrzehnt in den Fokus gerückt [10, 16]. Insbesondere im Rettungsdienst scheint hier noch Potenzial zur konsequenten Umsetzung und möglichen Vermeidung von Zwischenfällen zu bestehen. Weiterhin könnte die weniger standardisierte Arbeitsumgebung in der Präklinik zu Medikamentenverwechslungen beitragen, sodass einfache Maßnahmen wie das Vier-Augen-Prinzip konsequent umgesetzt werden sollten [11].

Betrachtet man die Meldungen aus dem Schockraum, standen hier Teamkonflikte und Kommunikationsprobleme im Vordergrund. Konflikte innerhalb des Behandlungsteams wurden aus diesem Bereich häufig gemeldet, was möglicherweise dem großen Team, der wechselnden Zusammensetzung und den vielen beteiligten Professionen geschuldet sein könnte („Ad-hoc-Teams“; [3]). Auch Mängel im Kommunikationsverhalten (z. B. kein „Time-out“, keine Closed-loop-Kommunikation) wurden häufig gemeldet. Insgesamt unterstreichen diese Meldungen den Stellenwert von Konzepten wie „Crew Resource Management“, welche hier zukünftig zu einer effektiven und konfliktarmen Zusammenarbeit in der Patientenversorgung beitragen [17].

Auch Meldungen in Zusammenhang mit Blutprodukten erfolgten überwiegend aus dem Schockraum. Hierbei traten nicht nur bei der Applikation, sondern insbesondere auch im Rahmen der Logistik zwischen Blutbank und Schockraum Probleme auf (69 % der gemeldeten Zwischenfälle mit Blutprodukten). Neben der fehlenden Verfügbarkeit von Notfallerythrozytenkonzentraten der Blutgruppe 0 Rh neg. oder der Ausgabe von Konserven einer falschen Blutgruppe wurden auch 3 Fälle von verzögerter Ausgabe der Blutprodukte aufgrund nicht festgelegter Abläufe im Notfall berichtet. Da Blutprodukte eine zentrale Rolle in der Versorgung kritischer Patienten spielen, unterstreicht dies aus Sicht der Autoren die Notwendigkeit einrichtungsspezifischer Abläufe und Organisationsstrukturen für deren Bereitstellung und Applikation. Die Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer schreibt eine entsprechende Einweisung aller Transfundierenden durch den Transfusionsbeauftragten vor [2].

In der Notaufnahme waren neben Teamkonflikten/Kommunikationsproblemen insbesondere Schnittstellenprobleme häufiger Meldegrund. Zwar scheinen klare Absprachen für die Übernahme und Verlegung von Patienten in allen Lokalisationen wichtig zu sein, die Notaufnahme könnte hierbei allerdings einen besonders sensiblen Bereich darstellen. Obwohl sich die örtlichen Strukturen unterscheiden und daher nur schwer allgemeingültige Empfehlungen gegeben werden können, unterstreicht dies die Wichtigkeit der Kenntnis und Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten, Organisationsstrukturen und Kommunikationspfade („Safety is local“; [14]).

Infobox Beispiel einer typischen CIRS-Meldung zu Medikamentenverwechslungen

CIRS-AINS-Meldung 1956: Medikamentenverwechslung

Wo ist das Ereignis passiert: Rettungsdienst

Patientenzustand: Notfallmeldung, V. a. Herzinfarkt

Fallbeschreibung: Notarzt versorgt den Patienten adäquat unter der Verdachtsdiagnose Herzinfarkt, lässt sich, da der Patient über Oberbauchschmerzen klagt, Pantozol vom Rettungsassistenten anreichen. Kurz nach i.v.-Gabe fällt die Sättigung, der Patient wird tachykard, apnoisch. Maskenbeatmung über mehrere Minuten, danach spontane Erholung des Patienten, Sättigung wieder 99 %. Transport des Patienten in die Klinik. Beim Aufräumen der Ampullen fällt auf, dass die leere Ampulle nicht Pantozol, sondern Pantolax® (Succinylcholin) war!

Was war besonders gut: Eigentlich nichts! Wenigstens konnte der Patient problemlos maskenbeatmet werden und hat sich nach wenigen Minuten von der Relaxierung erholt, ohne zu aspirieren.

Was war besonders ungünstig: Die Pantolax-Ampulle ist eigentlich separat in der Kühlbox gelagert und kann nicht versehentlich mit Pantozol verwechselt worden sein (das auf dem RTW nicht mitgeführt wird), d. h., offensichtlich war entweder nicht klar, um was für ein Medikament es sich handelt, oder es ist nicht kommuniziert worden, dass nicht Intubation, sondern Antazida-Therapie geplant war. Die Ampulle war offensichtlich nicht beschriftet angereicht worden.

Eigener Ratschlag: 1. Auch im Notfall strenge Kontrolle, welches aufgezogene Medikament angereicht wird. 2. Überprüfung des Medikamentenbestands: Welche Medikamente werden in einer Form angeboten, die auf der Ampulle einen abziehbaren Namensaufkleber hat (wie z. B. Dormicum). Nur dann ist ohne Zeitverzug eine sichere Beschriftung ohne Verwechslungsgefahr möglich. Dringend weitestmögliche Umstellung auf solche Darreichungsformen. 3. Wenn und wo eine solche Umstellung nicht möglich ist, dann unbedingt nur beschriftete Spritzen akzeptieren oder die Ampulle an die Spritze ankleben. 4. Regelmäßige Fortbildungen über Medikamente für alle in der Patientenversorgung Beschäftigten.

Wie häufig tritt ein Ereignis dieser Art in Ihrer Abteilung auf: jeden Monat

Wer berichtet: Ärztin/Arzt

Ihre Berufserfahrung: über 5 Jahre

In allen drei Bereichen spielten Medizinprodukte in einem wesentlichen Anteil der Meldungen eine Rolle. Hierbei fiel auf, dass insbesondere Monitor‑/Defibrillatoreinheiten und Beatmungsgeräte/O2-Versorgung häufig zu Unsicherheiten und Problemen bei der Anwendung führten. Unzureichende Einweisungen, fehlende Routine im Umgang mit Geräten, mangelnde Wartung und uneinheitliche apparative Ausstattung verschiedener Versorgungsbereiche waren hierbei typische, von den Meldenden genannte Auslöser und zeigen entsprechendes Optimierungspotenzial auf. Die vorliegenden Daten unterstreichen den Aspekt der Mensch-Maschinen-Interaktion als wiederkehrende Fehlerquelle in soziotechnischen Systemen [4, 20].

Sowohl im Rettungsdienst als auch im Schockraum spielten Ereignisse im Zusammenhang mit der Atemwegssicherung bei etwa jeder zehnten Meldung eine Rolle, was im Vergleich mit anderen Meldegründen zunächst niedrig erscheint. Während keine validen Daten zur Inzidenz des präklinischen schwierigen Atemwegs existieren, wird diese im Kontext des nichttraumatologischen Schockraummanagements mit 3,8 % beziffert [1]. Bedenkt man jedoch die zentrale Rolle des sicheren Atemwegs in der Versorgung des Notfallpatienten und die potenziell deletären Folgen bei dessen Verlust, muss eine deutliche Reduktion dieser Ereignisse das erklärte Ziel sein [13]. Trotz aller Bemühungen der letzten Jahre stellten Fehlintubationen ein relevantes Problem dar, sodass eine konsequente Nutzung der Kapnographie entsprechend den aktuellen Leitlinien zu fordern ist [19]. Mehrfache Meldungen zum Verlust des Atemwegs im Rahmen von Umlagerungen sollten erhöhte Vigilanz im Rahmen solcher Manöver nach sich ziehen. Mangelndes Beherrschen von Backup-Strategien für den unerwartet schwierigen Atemweg stellt eine vermeidbare Patientengefährdung dar und sollte durch entsprechende Ausbildung adressiert werden [19].

In Bezug auf die meldende Person war der hohe Anteil an Meldungen durch Pflegende in der Notaufnahme im Vergleich zu Schockraum bzw. Präklinik auffallend, wo dies häufiger durch ärztliches Personal erfolgte. In einer deutschsprachigen Arbeit zu präklinischen CIRS erfolgten Meldungen zu gleichen Teilen durch Ärzte und Rettungsdienstpersonal, allerdings wurde hier das CIRS explizit über Kongresse und notfallmedizinische Journals beworben, wodurch potenziell beide Berufsgruppen erreicht werden [6]. Es ist bei unseren Daten davon auszugehen, dass CIRS-AINS vorrangig ärztlich-anästhesiologisch bekannt bzw. verbreitet ist und daher die präklinischen Fälle primär durch Notärzte aus diesem Fachgebiet gemeldet wurden. Hewitt et al. wiederum konnten zeigen, dass die Bereitschaft zur Meldung eigener Zwischenfälle unter Pflegenden höher ist als unter Ärzten, was die Ergebnisse aus der Notaufnahme erklärt; hier ist ein in der Regel festes Pflegeteam von zentraler Bedeutung [5].

Zusammengefasst machten die Meldungen aus dem Bereich der Notfallmedizin in unserer Untersuchung einen eher kleinen Teil der Eingaben in CIRS-AINS aus. Die Notfallmedizin stellt ein hochdynamisches Arbeitsumfeld dar, in welchem naturgemäß mit einer eher hohen Anzahl von (Beinahe‑)Zwischenfällen zu rechnen ist. Dies lässt vermuten, dass gerade in diesem Bereich viele Ereignisse bisher nicht in CIRS-AINS gemeldet werden, wobei das auslösende Moment für die Meldung eines Ereignisses auf Basis der vorliegenden Daten nicht weiter erörtert werden kann. Die Meldungen aus den verschiedenen Lokalisationen, in welchen Notfallmedizin stattfindet, unterscheiden sich teils deutlich bezüglich der vorherrschenden Problemfelder. Dies kann wertvolle Hinweise zur Weiterentwicklung der entsprechenden Bereiche liefern. Hierdurch kann potenziell ein Beitrag zur weiteren Steigerung der Patentensicherheit im Feld der Notfallmedizin geleistet werden.

Fazit für die Praxis

  • Gemeldete Zwischenfälle in CIRS-AINS aus dem Bereich der Notfallmedizin unterscheiden sich inhaltlich zwischen den Lokalisationen Rettungsdienst, Schockraum und Notaufnahme.

  • (Beinahe‑)Zwischenfälle mit Medikamenten stellen im Rettungsdienst den häufigsten Grund für eine Meldung in CIRS-AINS dar.

  • Im Schockraum und in der Notaufnahme überwiegen Kommunikationsprobleme und Teamkonflikte.

  • Zwischenfälle mit Medizinprodukten werden aus allen Bereichen mit relevanter Häufigkeit gemeldet.

  • Zukünftige Aus- und Weiterbildungskonzepte sollten die relevanten CIRS-Meldungen für den jeweiligen Bereich berücksichtigen, thematische Schwerpunkte sollten entsprechend gesetzt werden.

  • Gemessen an der Gesamtzahl an Meldungen in CIRS-AINS ist aufgrund des geringen Anteils notfallmedizinischer Meldungen von einem „underreporting“ auszugehen. Anwenderschulungen und Fortbildungen zum Thema CIRS können dabei helfen, dieses wichtige Werkzeug weiter zu verbreiten.