Rezension über:

Dietrich Ebeling / Volker Henn / Rudolf Holbach u.a. (Hgg.): Landesgeschichte als multidisziplinäre Wissenschaft. Festgabe für Franz Irsigler zum 60. Geburtstag, Trier: Porta Alba 2001, X + 730 S., Ill., graph. Darst., ISBN 978-3-933701-03-9, DM 128,00
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Rezension von:
Jörg Engelbrecht
Historisches Seminar, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Jörg Engelbrecht: Rezension von: Dietrich Ebeling / Volker Henn / Rudolf Holbach u.a. (Hgg.): Landesgeschichte als multidisziplinäre Wissenschaft. Festgabe für Franz Irsigler zum 60. Geburtstag, Trier: Porta Alba 2001, in: sehepunkte 1 (2001), Nr. 2 [15.02.2001], URL: https://www.sehepunkte.de
/2001/02/2847.html


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Diese Rezension erscheint auch in PERFORM.

Dietrich Ebeling / Volker Henn / Rudolf Holbach u.a. (Hgg.): Landesgeschichte als multidisziplinäre Wissenschaft

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Über den Sinn oder Unsinn akademischer Festschriften lässt sich trefflich streiten. Nur zu oft spiegeln sie weniger das Lebenswerk des Jubilars als vielmehr die Eitelkeit der Herausgeber und Autoren. Außerdem binden sie wertvolle Gelder, die vielleicht für andere Publikationen fehlen. Und schließlich: Wer kauft (und liest!) derartige Bücher, deren wissenschaftlicher Ertrag in der Regel eher gering zu veranschlagen ist. Solche Argumente kamen auch dem Rezensenten in den Sinn, als er den hier zu besprechenden Band in die Hände bekam.

Andererseits machte der Titel "Landesgeschichte als multidisziplinäre Wissenschaft" neugierig: nicht "inter-", sondern "multidisziplinär". Der Begriff muss mit Leben gefüllt werden, soll er mehr als die bloße Addition verschiedener Fächer unter dem gemeinsamen Rubrum "Landesgeschichte" meinen. Wird der Band diesem Anspruch gerecht?

Die Antwort besteht in einem entschiedenen ja und nein. Ja: Weil die Auswahl der Beiträge tatsächlich die Farbigkeit der Trierer landesgeschichtlichen Forschung widerspiegelt. Auf allen Feldern, die hier thematisiert werden (Politische, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Rechts- und Verwaltungsgeschichte, Kunst- und Kulturgeschichte) ist Irsigler als Forscher ausgewiesen. Entsprechend vielfältig waren und sind auch die Anregungen, die er seinen Schülern zu geben vermag. Fast ist man geneigt - auch wenn die Herausgeber dies anders bewerten -, von einer "Trierer landesgeschichtlichen Schule" zu sprechen, die sich gerade durch die Multiperspektivität ihrer Fragestellungen auszeichnet und sich von daher wohltuend von dem abhebt, was man anderswo unter "Landesgeschichte" versteht.

Dies gilt auch für die den einzelnen Beiträge zu Grunde liegenden räumlichen Bezüge. Auch sie spiegeln die gesamte Bandbreite dessen wider, was man als Landes- oder Regionalgeschichte bezeichnet. Zum Teil überschreiten sie auch den Rahmen landeshistorischer Betrachtung und eröffnen eine national- oder europabezogene Perspektive.

Nein: Weil der Anspruch der Multidisziplinarität nur eingelöst wird, wenn man alle 25 Beiträge in der Gesamtschau betrachtet. Jeder einzelne bleibt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, für sich genommen allein seiner jeweiligen Fachperspektive verhaftet. Also doch mehr Addition als Kombination. Dabei wäre es doch sehr reizvoll gewesen, methodische Ansätze und Fragestellungen aus unterschiedlichen Disziplinen anhand eines konkreten Themas miteinander zu verbinden.

Am ehesten lösen dies die Beiträge von Wolfgang Schmid (Die Jagd nach dem verborgenen Schatz. Ein Schlüsselmotiv in der Geschichte des Mittelalters?), Gunther Hirschfelder (Anmerkungen zu einer Kulturgeschichte der pflanzlichen Drogen in Europa) und Rainer Metz (Wirtschaftliches Wachstum, technischer Fortschritt und Innovationen in Deutschland. Eine Säkularbetrachtung) ein.

Das knappe Vorwort der Herausgeber geht über die Würdigung der Person und der Verdienste des Jubilars leider nicht hinaus. Vielleicht hätte eine ausführliche Einleitung verdeutlichen können, worin das Konzept der Multidisziplinarität besteht. Dadurch wäre auch dem Eindruck einer gewissen Beliebigkeit bei der Auswahl der Themen vorgebeugt worden.

Immerhin wird durch die hier versammelten Beiträge hinreichend erkennbar, wie weit sich die Landesgeschichte in Deutschland von ihren ursprünglichen, vorwiegend auf die mittelalterliche Verfassungsgeschichte bezogenen Fragestellungen entfernt hat. Das Spektrum reicht chronologisch vom Frühmittelalter bis zur Zeitgeschichte; thematisch von der Volksmagie, über Weinverfälschung im Mittelalter, der frühneuzeitlichen Verkehrsgeschichte bis hin zur historischen Kriminalitätsforschung am Beispiel der Bande des Schinderhannes. Insofern kann man den Band auch verstehen als eine Zwischenbilanz der bisher in Trier geleisteten Arbeit, die - das zeigen vor allem die Beiträge der jüngeren Autorinnen und Autoren - für die Zukunft noch manches Wichtige und Originelle erwarten lässt.

Darüber hinaus verhilft diese Publikation manchen Kolleginnen und Kollegen, die in der Vergangenheit gegenüber der Landesgeschichte eine etwas geringschätzige Haltung gezeigt haben, vielleicht zu der Einsicht, dass es gerade dieses Fach war und ist, in dem sich der methodische Fortschritt in der Geschichtswissenschaft am nachhaltigsten Bahn gebrochen hat.

Jörg Engelbrecht