T. Stamm-Kuhlmann: Hardenbergforschung

Titel
"Freier Gebrauch der Kräfte". Eine Bestandsaufnahme der Hardenbergforschung


Herausgeber
Stamm-Kuhlmann, Thomas
Erschienen
München 2001: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
263 S.
Preis
€ 49,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr. Christoph Franke, Leitung, Deutsches Adelsarchiv

Karl August von Hardenberg (1750-1822) gilt als einer der bedeutendsten Staatsreformer des 19. Jahrhunderts, der lange Zeit im Schatten seines Ministerkollegens Freiherr vom Stein stand. Dieses Bild wird in der Forschung einer Revision unterworfen. Anlass dafür bieten die am Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte der Universität Greifswald edierten Tagebücher und autobiographischen Aufzeichnungen Hardenbergs, die zu Beginn des Jahres 2000 anlässlich des 250. Geburtstages Hardenbergs veröffentlicht worden sind. Die Druckvorlage der Edition wurde schon im September 1997 der Fachwelt auf einem Symposium der Werner-Reimers-Stiftung vorgestellt und im Rahmen dieser Konferenz entstand der vorliegende Sammelband mit vierzehn Aufsätzen zu verschiedenen Aspekten der Forschung über Hardenberg und sein reformerisches Wirken.

Silke Lesemann widmet sich in ihrem Aufsatz den ersten Tätigkeiten Hardenbergs in Hannover und Braunschweig. In beiden Fällen konnte Hardenberg seine Reformvorhaben nicht gegen die Beamtenschaft und die Landesherren durchsetzten. Persönliche Probleme, die Scheidung von seiner ersten Ehefrau Christiane Gräfin von Reventlow und die Heirat mit Sophie von Lente, die in Braunschweig nicht akzeptiert wurde, führten schließlich zur Annahme eines Angebotes aus Berlin, Minister in Ansbach-Bayreuth zu werden.

Die Zeit Karl August von Hardenbergs in der neuen preußischen Provinz Franken wird von Rudolf Enders detailliert nachgezeichnet. Hier wurden, so Enders, die preußischen Reformen vorweggenommen: Staatsbürgerliche Gleichheit, Sicherheit des Eigentums und die Aufhebung ständischer Privilegien waren die zentralen Punkte der Neuordnung. Walter Demel versucht anschließend die Beurteilung der Tätigkeit Hardenbergs in Franken unter drei Aspekten: Inwieweit waren seine Handlungen legitim und wie erfolgreich waren die Reformbemühungen in kurz- und in längerfristiger Sicht. Demel kommt zu dem Ergebnis, daß Hardenberg nicht zimperlich mit althergebrachten Rechten umgegangen ist. Doch war sein Handeln nicht illegitim im Rahmen energischer Reorganisationsmaßnahmen. Die Bevölkerung bewertete die Hardenbergschen Maßnahmen weitestgehend positiv. Demel weist darauf hin, daß die Maßnahmen langfristig die Grundlagen für eine fränkische Identität bildeten.

Die Außenpolitik Hardenbergs wird von angelsächsischen Wissenschaftlern untersucht: Brendan Simms konstatiert eine konsequente Haltung Hardenbergs gegenüber England, da er es ablehnte, Preußen für die englischen Interessen einspannen zu lassen. Und Philip G. Dwyer sieht in der Außenpoltik Hardenbergs ein gewisses opportunes Handeln das danach strebte, das Staatsterritorium zu vergrößern, ohne jedoch in direkten Konflikt mit einer anderen Macht zu geraten.

In den folgenden Aufsätzen beschäftigen sich die Autoren mit einzelnen Aspekten der Reformpolitik Hardenbergs: Georg Moll stellt die von Hardenberg zwischen 1811 und 1821 erlassenen juristischen Regelungen zur Ablösung feudaler Lasten und Herstellung persönlicher Freiheiten für die Landbevölkerung dar. Die Erlangung persönlicher Freiheiten hatten einen nicht unerheblichen Verlust an bäuerlichem Land zur Folge, besonders in den östlichen Provinzen Preußens. Die Agrareformen führte die Landwirtschaft in eine kapitalintensive Produktionsform und bildeten eine entscheidende Weichenstellung für das bürgerliche Zeitalter.

Barbara Vogel beschäftigt sich mit den Wirtschaftsreformen Hardenbergs, die langfristig positive Effekte auf die Industrialisierung hatten. Ein struktureller Wandel setzte ein, der jedoch kurzfristig von verschiedenen Formen der Subventionierung begleitet wurde. Der Aufsatz von Andrea Hofmeister widmet sich der Öffentlichkeitsarbeit Karl August von Hardenbergs und konstatiert den Einstieg in eine moderne staatliche Pressepolitik, die nach Einschätzung von Hofmeister jedoch nicht an die modernen Techniken französischer Politik oder der Metternichs heranreichten. Hardenberg blieb vormodernen Praktiken der Öffentlichkeitsarbeit verbunden.

Hans-Werner Hahn legt in seinem Beitrag die Bemühungen Hardenbergs zur Gleichstellung der Juden dar, welche 1812 gesetzlich fixiert wurden. Hahn zeigt den französischen Einfluß, schildert die preußischen Widerstände und beleuchtet die Defizite des preußischen Emanzipationsgesetzes. Michael Hundt widmet sich den Zielen der Hardenbergischen Verfassungspolitik sowie ihren Mitteln und Wirkungen. Hardenberg wollte die Macht Preußens im Deutschen Bund stärken, doch dieses Ziel ist mehrmals gescheitert und letztlich waren die deutschen Staaten nicht gewillt, ihre errungene Position gegen eine preußische Leitung oder sogar Herrschaft einzutauschen.

In einem Zwischenresümee von Christof Dipper wird der Frage nachgegangen, ob man nach wie vor von den Stein-Hardenbergischen Reformen sprechen und ob Stein zusammen mit Hardenberg genannt werden kann, was Dipper verneint.

Paul Nolte geht es in seinem Aufsatz weniger um die Darstellung von Ereignissen und Etappen der Reformpolitik sondern vielmehr darum, verschiedene historiographische Theorien am Beispiel der preußischen Reformen und Hardenberg auf ihre Aussagekraft hin zu untersuchen. Nolte regt Forschungen über Hardenberg und seine Reformen unter Berücksichtigung des kulturgeschichtlichen Ansatzes an. David E. Barclay versucht, eine Typologie des preußischen Konservatismus als Gegenspieler zu Hardenbergs Reformen in der Restaurations- und Vormärzzeit zu entwerfen und plädiert abschließend dafür, die konservativen Kräfte jener Zeit einer vergleichenden Untersuchung mit den englischen Protagonisten zu unterziehen.

Der abschließende Beitrag von Thomas Stamm-Kuhlmann widmet sich den Tagebüchern Hardenbergs und den Persönlichkeitsbildern, die sich aus diesen Aufzeichnungen gewinnen lassen. Stamm-Kuhlmann konstatiert bei den verglichenen Tagebüchern ein starkes Interesse an Charakterisierungen von Personen, an der Schilderung von diplomatischen und militärischen Ereignissen und am Thema Machtgewinnung und Machterhalt.

Die Stärke der Aufsatzsammlung liegt in der detaillierten Darstellung und Bewertung der Reformen von Karl August von Hardenberg von ausgewiesenen Kennern der Materie. Berücksichtigt werden Themen wie der politische Aufstieg Hardenbergs mit den Stationen in Hannover, Braunschweig und in Franken sowie seine Rolle als Diplomat. An dem umfassenden Bild, welches in den Aufsätzen dargestellt wird, läßt sich nur kritisieren, daß – wie es Christof Dipper formuliert – in der Sache nichts Neues gebracht worden ist.

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