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Elisabeth Herrmann

Texte schauen, Bilder lesen.
Lesarten neuer Texte
der skandinavischen Literatur
im Zeitalter des Primats der Visualität

  • Hanna Eglinger / Annegret Heitmann (Hg.): BildDurchSchrift. Zum visuellen Diskurs in der skandinavischen Gegenwartsliteratur (Rombach Wissenschaften: Reihe Nordica 7) Freiburg im Breisgau: Rombach 2002. 253 S. Kart. EUR (D) 39,90.
    ISBN 3-7930-9334-4.


Zeitalter der Visualität

Dass wir in einer Welt leben, in der die "ubiquitäre Präsenz des Bildes" 1 unsere Wahrnehmung und unser Denken, unsere Erinnerung und unser Empfinden prägt und wir uns dieser Bilderflut nicht entziehen können (und wollen), muss trotz aller geäußerten Kritik an der Vorherrschaft der Visualität heute als eine Gegebenheit angesehen werden und ist Grund genug, sich auf einer wissenschaftlichen Ebene mit der Thematik der Bildlichkeit zu beschäftigen. Mit einer Vielzahl kunst-, film- und medienwissenschaftlicher Studien ebenso wie philosophischer und psychologischer Publikationen zu diesem Thema ist dies in den vergangenen Jahren vielfach geschehen, so dass eine Theoretisierung des Visuellen und seiner Funktionsweisen stattgefunden hat.

Die Beiträgerinnen und Beiträger des von Hanna Eglinger und Annegret Heitmann herausgegebenen Sammelbandes BildDurchSchrift. Zum visuellen Diskurs in der skandinavischen Gegenwartsliteratur gehen in ihrer Auseinandersetzung mit der >Bilderfrage< nun einen anderen Weg: sie schauen sich – und dies in ganz wörtlichem Sinne – Texte an, mit denen skandinavische Autoren der Gegenwart auf die Vorherrschaft des Bildes in der heutigen Zeit reagieren, darauf Bezug nehmen oder ihr Ausdruck verleihen, und lesen daraus Antworten auf die Frage ab, welche Konsequenzen sich aus dem sich mittlerweile in allen Lebensbereichen vollziehenden >iconic turn< für die Literatur der Gegenwart einerseits und für die Interpretation derselben andererseits ergeben.

Bereits die Schreibweise des Buchtitels weist daraufhin, dass es sich um zwei Arten der Wahrnehmung handelt, die hier gleichermaßen zur Anwendung kommen sollen: um eine kognitive und um eine visuelle. Allerdings erweist sich das Medium Bild – auch dies ist mit dem Titel angedeutet – in diesem Zusammenhang immer schon als ein durch das Medium Schrift reflektiertes: sei es als Motiv innerhalb des Textes, als Teil einer Text-Bild-Collage, als ekphrasiertes Kunstobjekt und in jedem Fall als Gegenstand der Interpretation.

Literarische Reflexion von Text-Bild-Bezügen

BildDurchSchrift ist der zweite Band, der im Rahmen des Forschungsprojekts "Nordbildtext" herausgegeben wurde. Das an der Universität München durchgeführte DFG-Projekt untersucht die Beziehungen zwischen Wort- und Bildkunst in der skandinavischen Literatur der Moderne. Bemühte sich der erste Band mit dem Titel Zwischen Text und Bild. Zur Funktionalisierung von Bildern in Texten und Kontexten (erschienen 2000 im Rombach Verlag Freiburg) um die Erarbeitung methodischer Grundlagen für die Erkundung von Text-Bild-Bezügen aus komparatistischer Sicht, so konzentriert sich der zweite Band, wie es im Vorwort heißt, auf "die Ausformungen der Intermedialität in der skandinavischen Gegenwartsliteratur–" (S. 7).

"Gegenwartsliteratur" meint in diesem Fall konkret Literatur seit den 1990er Jahren und umfasst Textbeispiele unterschiedlichster Gattungen aus den Literaturen Dänemarks, Norwegens, Schwedens, Finnlands und der Färöer. Ein Repräsentant der isländischen Literatur fehlt, ohne dass dies kommentiert wird. 2

Eine Eingrenzung des untersuchten Zeitraums auf die beiden vergangenen Jahrzehnte ergibt sich zum einen aus der zunehmenden Aktualität des Themas Bildlichkeit an sich und zum anderen aus dem Faktum, dass insbesondere die neuere und neueste skandinavische Literatur die Auswirkungen und Folgen des Einflusses der Visualität auf den Menschen reflektiert, indem sie sich selbst in ihren Dienst stellt.

In dem Bewusstsein, dass eine Auswahl an Beispielen nicht vollständig sein und auch nicht alle Ausformungen literarisierter Text-Bild-Bezüge repräsentieren kann, nennt Annegret Heitmann in ihrem einleitenden Beitrag ergänzend zwei Autoren und eine Autorin, die man des Weiteren hätte aufnehmen und bearbeiten können: der norwegische Romancier Jan Kjærstad, sein Landsmann Hans Herbjørnsrud und die schwedische Lyrikerin Katarina Frostenson. Anhand einer Darstellung und verkürzten Interpretation des Romans Målarens Döttrar der schwedischen Schriftstellerin Anna-Karin Palm, mit der eine weitere Lücke vorweg geschlossen wird, umreißt Heitmann die für den gesamten Band zentralen Themenkreise und Schwerpunkte – Erinnerung, Bildkritik und Kanonrevision – und verdeutlicht durch textbegleitende Verweise die Vernetzung der Einzelbeiträge.

Eine besondere Spannung des Unternehmens BildDurchSchrift liegt darin, dass der Modernität der ausgewählten Texte zum Trotz es sich bei den von ihnen aufgerufenen und zur Anschauung gebrachten Bildern häufig um Klassiker der Kunstgeschichte, nicht aber um moderne Medienkunst handelt.

Untergliedert sind die zehn Beiträge des Sammelbandes in drei gleichgewichtige Teile, von denen der erste die komplementären Wechselbeziehungen – das Zusammenwirken und Wechselspiel von Bild und Text sowie die Übernahme des einen Mediums in das andere – erörtert. Im zweiten Teil werden die Funktion und Wirkung von Bildern – häufig real existierender Kunstobjekte – in literarischen Texten und Gedichten untersucht, und mit dem dritten Teil schließlich wird versucht, eine Poetik literarischer Text-Bild-Bezüge zu entwerfen.

Komplementäre Wechselbeziehungen zwischen Text und Bild

Eine Untersuchung des Verhältnisses zwischen den einzelnen Künsten und ihrer Bezugnahme aufeinander nimmt Karin Hoff in ihrem Beitrag über den dänischen Bildkünstler und Schriftsteller Per Kirkeby vor. Entgegen der Intention des Künstlers, der sich selbst von der Betonung der Verbindung und Bedeutung analoger Strukturen zwischen den Kunstformen seiner eigenen Arbeiten distanziert, liest die Verfasserin des Beitrags Gedichte, Prosastücke und aufgezeichnete >Künstlergespräche< Kirkebys als Kommentar zu dem bildkünstlerischen Prozess und verweist zugleich auf die komplementäre Relation der beiden Künste: Im Zentrum beider Ausdrucksformen steht bei Kirkeby die Erinnerungsarbeit.

Antje Wischmann stellt in ihrem Beitrag einen Collage- und Ausstellungskatalog des schwedischen Künstlers Elis Ernst Eriksson vor, der den Titel Övermålade Mästerverk trägt. In dem Aufzeigen der parataktischen und hypotaktischen Relationen der verschiedenen Collageelemente, die der Technik eines Palimpsests folgen, vermag Wischmann dem zunächst auf den Betrachter und Leser eher undurchdringlich wirkenden Werk eine innere Logik nachzuweisen, nach der das Zusammenfügen der Texte ein Bild ergibt und die Kombination der Bilder einen übergeordneten Text erzeugt.

Sehr anschaulich präsentiert Stefan Moster das Zusammenspiel von Text- und Bilderwelt – d. h. in diesem Fall zwischen Literatur und Film – anhand des Romans Sydänkohtauksia des finnischen Autors Kari Hotakainen. Vorlage des Romans ist der amerikanische Kultfilm Der Pate, dessen Dreharbeiten kurzerhand nach Finnland verlegt werden und der vom Autor persiflierend und konterkarierend um- und fortgeschrieben wird, so dass am Ende nicht mehr deutlich zu unterscheiden ist, ob der Film dem Roman Pate gestanden hat oder der Roman Pate des Films ist. Die Erweiterung des Text-Bild-Bezugs über gestaltete Bilder hinaus auf den Film stellt insofern eine wichtige Ergänzung auch der Interpretationsergebnisse dar, als mit der dem Roman eigenen Umkehrstruktur nachgewiesen werden kann, dass sich das Text-Bild-Verhältnis stets sowohl auf eine Destruktion als auch auf eine Konstruktion gründet.

Inga Meincke stellt mit ihrem Beitrag über das Werk des färingischen Schriftstellers Tóroddur Poulsen ein Beispiel "visueller Dichtung" vor, in der die Typographie des Textes die Semantik konnotiert. Sprachliches Verstummen geht über in bildliches Verfahren, die Sprache materialisiert sich: in der Überblendung von Worten und Wortreihen, in Reduktion, Schnitt und Montage, die den linearen syntagmatischen Text beinahe bis zur Unlesbarkeit aufbrechen. In dem Versuch, aktuelle Techniken der bildenden Kunst auf die Sprache anzuwenden, siedelt Tóroddur Poulsen seine >Sprachbilder< bewusst auf der Schwelle zwischen Funktion und Dysfunktion von Literatur und Wirklichkeit an.

Mit dem Titel Palimpseste. Wechselbeziehungen zwischen Text und Bild ist der erste Teil des Sammelbandes überschrieben und die Bezeichnung "Palimpsest" erweist sich nach der Lektüre der Aufsätze als zutreffend, obwohl es gerade nicht um Tilgung des einen Elements durch das andere geht. Vielmehr besteht die Kunst der beschriebenen Werke gerade darin, Unsichtbares sichtbar zu machen und durch >Übermalen< des einen durch das andere ein Drittes und Neues entstehen zu lassen.

Funktion und Wirkung von Bildern in Texten

Stellen die im ersten Teil zusammengefassten Beiträge sozusagen selbst Ekphrasen dar, da sie visuelle Texte, Textbilder, Bildtexte und Bildsequenzen vorstellen, die zum einen nicht leicht zugänglich und zum andern den meisten Lesern wohl unbekannt sind, so widmen sich die Beiträge des zweiten Teils unter der Überschrift "Blinde Ekphrasen. Funktionalisierung von Bildern in Texten" den in literarische Werken aufgenommenen oder darin vorgenommenen fiktiven Bildbeschreibungen.

Eine Postkarte des (in Schloss Gripsholm befindlichen) Porträts des schwarzen Sklaven Badin, der als Kind an den schwedischen Königshof kam, bildet das Verbindungsglied der zwei Erzählstränge und zwei Zeitebenen des Romans Maroonberget von Ola Larsmo, dessen sich Joachim Schiedermair annimmt. Die Geschichte eben dieses Badin, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts abspielte, sowie die Geschichte eines in der aktuellen Gegenwart lebenden schwarzen Stockholmers betrachtet Schiedermair ausschließlich unter dem Aspekt ihrer jeweiligen Bezugnahme auf das Bild von Gustaf Lundberg und zeichnet daran den Entwurf eines ikonischen Identitätskonzepts nach, nach dem das eigene Ich nur als äußeres Bild gefasst werden kann und Selbstvergewisserung allein über eine Selbstwahrnehmung von außen stattfindet. Eine Einbettung dieser Deutung des Bildes in die Gesamt-Interpretation des Romans stände noch aus.

Anhand der in dem Roman Tavshed i oktober angeführten fiktiven Bildbeschreibungen eines namenlosen Kunstkritikers gelingt es Hanna Eglinger nachzuweisen, dass der dänische Autor Jens Christian Grøndahl nicht den Gegenstand der Betrachtung, das Gesehene, sondern vielmehr den Prozess des Sehens und die darin vollzogene Selbstbespiegelung in den Mittelpunkt seines Werkes stellt. Damit verbunden ist eine Kritik an der cartesianischen Betrachterposition, die für die Identitätssuche des Ich-Erzählers von Bedeutung ist. Die dem Denken vorgängige Vertrautheit mit der Welt und das Wissen um die eigene Existenz wird in das Gesehene hineingelesen. Übertragen lässt sich die Kritik an dieser "ikonischen Projektion" 3 auch auf die Literatur: in der Art und Weise wie sie "eine dynamische Wirklichkeit als statisches Artefakt" wiedergibt, "d. h. durch rahmenschaffende oder ähnliche, Distanz markierende Elemente den Eindruck [...] erweck[t], als sei die betrachtete Szene eingefroren bzw. im Bild festgehalten" (S. 132 f.). Eine adäquate Lösung der Umsetzung der Wirklichkeit ins Bild weiß der Roman dem jedoch nicht entgegenzusetzen. Was bleibt ist eine "offene Leere" (S. 143), das Bild als Leerstelle, ein blinder Spiegel.

Abstand vom ekphrastischen Verfahren, so zeigt Thomas Seiler in seinem Aufsatz, nimmt auch der Norweger Paal-Helge Haugen in seinem Gedichtband Meditasjonar over Georges de La Tour, indem er sich eben nicht auf die Bilder des elsässischen Malers bezieht, sondern diese nur zum Ausgangspunkt seiner Assoziationen nimmt. In der Deutung Seilers äußert sich darin eine Einsicht in die Unübersetzbarkeit des Bildes in Sprache und ist generell die Problematik des Medienwechsels angesprochen. Seilers Aufsatz stellt innerhalb des Sammelbandes nicht allein deshalb einen wichtigen Beitrag dar, weil er der einzige ist, der Text-Bild-Bezüge an derjenigen Gattung untersucht, die weit mehr als jede Prosa innertextliche Strukturzusammenhänge mittels Bildern herstellt. Darüber hinaus diskutiert der Beitrag die Frage, inwiefern sich nach der von modernen Poetiken geforderten Absage an die Nachahmungskunst überhaupt ein Sinnhorizont hermetischer Lyrik erschließen kann: durch den "Einbezug anderer >Texträume<" (S. 151). Dann nämlich werden nicht länger Bilder durch Worte beschrieben, sondern von Worten – neue – Bilder geschaffen.

Die im zweiten Teil des Bandes dargestellten "blinden Ekphrasen" (so heißt es in der Überschrift) sind also nur dann blind, wenn man sie auf die Abbildung eines Bildes reduziert und ihre eigentliche Funktion im Text außer Acht lässt, die gerade in der Präsentation und Veranschaulichung von Nicht-Gegenwärtigem liegt.

Entwurf einer Poetik literarischer Text-Bild-Bezüge

Sind in den Aufsätzen des ersten und zweiten Bandteils mit der Darstellung unterschiedlicher Ausformungen der Intermedialität von Literatur und Bildender Kunst bereits wesentliche Merkmale der literarischen Gestaltung von Text-Bild-Bezügen herausgearbeitet worden, so versuchen die im dritten Teil versammelten Beiträge von Joachim Grage, Kirsten Wechsel und Katarina Yngborn eine von Künstlern entworfene "Poetik aus Bildern", wie der Titel der Überschrift lautet, aufzuzeigen und damit ihrerseits eine Typologie und Theorie literarischer Ekphrasen zu benennen.

Joachim Grage beschäftigt sich in seinem Aufsatz mit ekphrastischen Schreibweisen in einer Text-Bild-Rubrik, die in den 1990er Jahren in der dänischen Literaturzeitschrift Kritik veröffentlicht wurde. Darin kommentieren je drei Wissenschaftler, Maler oder Literaten ein ausgewähltes Bild, welcher Bildgattung auch immer. Grage differenziert bei seiner Interpretation der Bildbetrachtungen zwei unterschiedliche Weisen heraus, durch die jeweils das Nicht-Sichtbare des Bildes zur Sprache gebracht werden soll: auf eine hermeneutisch deutende Weise und als eine um Nach-, Um- oder Neugestaltung bemühte "poietische" Spielart (vgl. 193) der Ekphrasis.

Mit ihrer Interpretation der Romane Melancholia I und Melancholia II von Jon Fosse unter dem Aspekt der Verbindung von Melancholie und Allegorie arbeitet Kirsten Wechsel heraus, wie der melancholische Blick des Künstlers einen gegenwärtigen Verlust in der ständigen Erinnerung als stehendes Bild und damit als ein auch in der Zukunft Weiter-Existierendes zu konservieren vermag. In diesem Bewahren der vergänglichen Zeit als unvergängliches Bild besteht für Fosse die Affinität zwischen Gemälden und Texten. Die Wahrnehmung von Ähnlichkeiten wiederum ermöglicht dem Menschen, die Überschreitung der für die Neuzeit charakteristischen Subjekt-Objekt-Spaltung, die in Fosses allegorischer Schreibweise stets mit einer mystischen, quasi-religiösen Erfahrung verbunden ist, jedoch eingebunden bleibt in die Herrschaftsstrukturen einer patriarchalen Gesellschaftskonzeption.

Katarina Yngborns Beitrag schließlich dokumentiert eine gemeinsame Textarbeit aller Beitragenden zum Abschluss des vom 7.–9.12.2001 an der Ludwig-Maximilians-Universität München abgehaltenen Symposiums, aus dem die Aufsätze hervorgegangen sind. Grundlage des Gesprächs stellt Torgny Lindgrens Erzählung Brokiga Blads vatten dar. Gegenstand der Diskussion ist der Kunstdiskurs der Erzählung. In der besonderen Art der Verknüpfung von Fiktion und Realität, von Erzählung und dem Gemälde, auf das sie sich bezieht, sowie in der weitgefassten Bedeutung des Kunstbegriffs legt die Erzählung die Bezeichnung einer "erweiterten Ekphrasis" nahe und impliziert für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Nähe zur Arabeske.

Tatsächlich stellt das Bemühen um eine Theorie ekphrastischer Literatur eher ein erneutes Benennen entsprechender Merkmale anhand weiterer Beispiele dar und kann nicht wirklich eine Poetik der >Gattung< herausarbeiten – wohl deshalb, weil sie keine eigenständige Gattung ist.

Da der Begriff der Ekphrasis relativ offen ist – mal wird er synonym mit Descriptio, mal eingegrenzt auf Bildbeschreibungen verwendet – soll er hier insofern präzisiert (und ausgeweitet) werden, als damit generell Diskurse über konkrete Bilder bezeichnet seien und nicht nur Bildbeschreibungen in dem Sinne, dass die Texte sich ausschließlich deskriptiv zu dem Bild verhalten. (Grage S. 186)

Zu eng gefasst wären Bezeichnungen wie >ekphrastische Literatur< oder >literarische Ekphrasen<, geht es doch vielmehr darum, den den Werken eingeschriebenen "visuellen Diskurs" zu analysieren.

Nicht nur Dokumentation eines Symposiums,
sondern Zeugnis fundierter Wissenschaft

Das Experiment, Texte anzuschauen und die darin enthaltenen Bilder zu lesen, das als Motto des hier vorliegenden Bandes gelten kann, ist ein Versuch, traditionelle Lesarten bzw. Betrachtungsweisen von Texten, Bildern umzukehren in ein intermediales >Querlesen< und eine tiefergehende >Veranschaulichung< von Kunstwerken und Werken über Kunst.

Erkundet wird dabei nicht nur das "Produkt Kunst" (Meincke, S. 94), vielmehr auch das "Betriebssystem Kunst" (ebd.). Und darin liegt das große Verdienst der Beiträge: in ihrem Sichtbarmachen von Produkt, Produktion, angewandten Techniken sowie ihrer Wirkung, darüber hinaus aber auch in ihrer Veranschaulichung und in ihrem gleichzeitigen Hinterfragen des Sehens-, Betrachtungs- bzw. Interpretationsprozesses.

Der von Hanna Eglinger und Annegret Heitmann herausgegebene Band erfüllt zudem den Zweck einer Anthologie bzw. eines Katalogauszugs, in dem der Leser blättern kann, um sich einen Eindruck über die Vielfalt und den Einfallsreichtum, über die Anschaulichkeit und Bildhaftigkeit der gegenwärtigen und aktuellen skandinavischen Literaturen zu verschaffen. Der Band vollzieht damit selbst die Kanonrevision, die die besprochenen Werke proklamieren.

Der hier vorgelegte >Erfahrungsbericht< der Begegnung mit Texten und Bildern, Bild-Texten und Text-Bildern ist über jeglichen Experimentiercharakter hinaus Zeugnis einer fundiert betriebenen Wissenschaft, mit der sich erfreulicher Weise auch eine Reihe junger Wissenschaftler zu Wort meldet und als bereits versiert erweist.


Dr. Elisabeth Herrmann
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Vergleichende Germanische Philologie
und Skandinavistik
Werthmannplatz 3
79085 Freiburg

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Ins Netz gestellt am 09.04.2003
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Diese Rezension wurde betreut von unserer Fachreferentin Annegret Heitmann. Sie finden den Text auch angezeigt im Portal Lirez – Literaturwissenschaftliche Rezensionen.

Redaktionell betreut wurde diese Rezension von Katrin Fischer.


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Anmerkungen

1 Gottfried Boehm: "Die Wiederkehr der Bilder". In: G. B. (Hg.): Was ist ein Bild? München: Fink 1994, S. 11–38, hier S. 13.   zurück

2 Es ist anzunehmen, dass sich diese Lücke wohl eher auf die Schwerpunktsetzung und Einzelinteressen der Beitragenden zurückführen lässt als etwa auf das Forschungsergebnis, dass sich in der isländischen Literatur tatsächlich keine Text-Bild-Bezüge fänden.   zurück

3 Übernommen ist der Begriff von Hans Lund: Texten som tavla. Studier i litterär bildtransformation. Lund: studentlitteratur 1982.   zurück