J. Laudage u.a (Hrsg.): Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit

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Titel
Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit.


Herausgeber
Laudage, Johannes; Leiverkus, Yvonne
Reihe
Europäische Geschichtsdarstellungen 12
Erschienen
Köln 2006: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
326 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernd Schütte, Historisches Seminar, Universität Leipzig

Die Begriffe Rittertum, höfische Kultur und Stauferzeit gehören eng zusammen und sind zumal in der deutschsprachigen Mediävistik bereits intensiv erforscht worden, wofür Namen wie Joachim Bumke und Josef Fleckenstein stehen.1 Gleichwohl gibt es genügend Anlässe, um sich dem beliebten Forschungsgegenstand immer wieder neu zu nähern. Aus dem von den Herausgebern verfassten Vorwort (S. 7-10) des hier vorzustellenden Sammelbandes geht nämlich hervor, dass dessen insgesamt 13 Beiträge auf einer im Juni 2005 an der Universität Düsseldorf veranstalteten Tagung beruhen, in deren Rahmen ein vornehmlich studentisches Publikum „auf unkonventionelle Weise an das forschungsorientierte Lernen“ (S. 7) herangeführt werden sollte. Darüber hinaus war beabsichtigt, nicht nur den gegenwärtigen Stand der Forschung zu bündeln, sondern auch neue Anregungen zu geben.

Am Anfang steht ein kenntnisreicher Beitrag von Johannes Laudage, Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit. Eine Einführung (S. 11-35), und am Schluss die von Thomas Zotz, Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit. Bilanz der Tagung (S. 315-326), verantwortete Zusammenfassung. Die übrigen ausgesprochen facettenreichen Aufsätze können grob unter mehreren Stichworten zusammengefasst werden. Mit den ökonomischen Voraussetzungen der höfischen Lebensgestaltung befassen sich Werner Rösener, Die ritterlich-höfische Kultur des Hochmittelalters und ihre wirtschaftlichen Grundlagen (S. 111-135), und Jens Ullrich, Iste sunt curie [...] Randnotizen zum Tafelgüterverzeichnis (S. 136-145). Rösener stellt heraus, dass die Entfaltung der ritterlich-höfischen Kultur grundsätzlich mit einem großen wirtschaftlichen Aufschwung einhergegangen sei. Diese Erkenntnis illustriert er mit Blicken auf einzelne Fürstenhöfe, doch ist es in quellenkritischer Hinsicht problematisch, aus der in den Texten genannten Größe des jeweiligen Gefolges auf die ökonomische Kraft eines Fürsten zu schließen. Während Rösener das vielleicht aus den ersten Jahren der Königsherrschaft Barbarossas stammende Tafelgüterverzeichnis nur am Rande streift, stellt Ullrich diese singuläre Quelle in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. In originellem Zugriff widmet er sich den aus Naturalleistungen bestehenden Servitien der sächsischen und rheinfränkischen Königshöfe. Unter Berücksichtigung archäozoologischer Ergebnisse berechnet Ullrich nämlich den Nährwert der den einzelnen Leistungen zugewiesenen Schweine, Rinder oder Gänse, setzt für die genannten Käse etwa 1 kg eines gewöhnlichen Labkäses an und stellt fest, dass der staufische Königshof zwischen 1000 und 1800 Personen umfasst habe, womit er eine ältere Schätzung von Carlrichard Brühl bestätigt sieht. Damit ist für die Beantwortung der Frage nach der tatsächlichen Größe der staufischen Kurie aber nicht viel gewonnen, zumal die Großen bei ihren Aufenthalten am Königshof im allgemeinen gehalten waren, ihre Aufwendungen selbst zu bestreiten.2

Zwei unterschiedliche Erscheinungsformen von Königshöfen stellen Johannes Laudage, Der Hof Friedrich Barbarossas. Eine Skizze (S. 75-92), und Theo Kölzer, Der Königshof im normannisch-staufischen Königreich Sizilien (S. 93-110), vor. Während der umherziehende römisch-deutsche Königshof bekanntlich einen nur geringen Organisationsgrad aufwies, kannte die unteritalienische Kurie der Normannen und Staufer bis in die dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts, als Friedrich II. seine Präsenz auf den festländischen Teil seines Reiches und nach Oberitalien verlagerte, mit Palermo eine feste Residenz. Vor diesem Hintergrund beschreibt Kölzer umfassend, präzise und anschaulich den ganz auf das Königtum ausgerichteten Aufbau des sizilischen Reiches mit seinen am Hof zusammenlaufenden Ämtern. Laudage interessierte neben der Bedeutung des Wortes curia besonders die Zusammensetzung des den Herrscher umgebenden täglichen Hofes. Dieser soll nach einer nur vereinzelten und von Laudage in den Mittelpunkt gerückten Quellenstelle aus Verwandten, geistlichen Fürsten und weltlichen Großen, nicht jedoch aus Ministerialen bestanden haben.3 Diese Erkenntnis steht freilich, wie Laudage selbst bemerkt, im Widerspruch zur bisherigen Forschung und sollte daher gerade angesichts der Singularität der Textstelle noch einmal überdacht werden. Darüber hinaus wird der Kreis dieser Ratgeber, der neben anderen aus Barbarossas Halbbruder Konrad, Rainald von Dassel, Hermann von Verden, Heinrich dem Löwen und Friedrich von Rothenburg bestanden haben soll, mit der Wendung „Küchenkabinett“ (S. 86) kaum angemessen erfasst.

Zur Ausbildung der ritterlich-höfischen Lebensweise äußern sich Jan Ulrich Keupp, Verhöflichte Krieger? Überlegungen zum ‚Prozeß der Zivilisation’ am stauferzeitlichen Hof (S. 217-245), und Gerhard Lubich, „Tugendadel“ Überlegungen zur Verortung, Entwicklung und Entstehung ethischer Herrschaftsnormen der Stauferzeit (S. 247-289). Keupp beantwortet die Frage, ob sich Erkenntnisse der Zivilisationstheorie auf hier einschlägige Aussagen stauferzeitlicher Quellen anwenden lassen, im Grunde positiv, denn Norbert Elias habe richtig erkannt, dass Hofkleriker, Damen und die zur Selbstkontrolle zwingenden sozialen Rivalitäten der Hofbesucher ganz wesentlich zu verfeinerten Sitten geführt hätten. Lubich stellt hingegen in seinem weit ausholenden und gedankenreichen Beitrag heraus, wie der alte Herkunftsadel und die seit dem 11. Jahrhundert aufstrebende Ministerialität in der neuen ritterlichen Militia zusammengewachsen und von den Vorstellungen des Tugendadels bestimmt worden seien.

Mit der Wahrnehmung der ritterlich-höfischen Kultur beschäftigen sich Alheydis Plassmann, Höfische Kultur in Frankreich. Die Sicht von außen (S. 146-169), und Barbara Haupt, Der höfische Ritter in der mittelhochdeutschen Literatur (S. 170-192). Plassmann führt Autoren wie Walter Map oder Ordericus Vitalis an, die das höfische Treiben angesichts ihres klerikalen Standpunktes von der Außenperspektive schildern und nicht vor Vergleichen und Wertungen zurückscheuen würden. So soll der als bescheiden, aber sehr vornehm aufgefasste französische Königshof gerade englische Autoren veranlasst haben, dessen positive Schilderung gegen den angevinischen Königshof zu instrumentalisieren, und Fürstenhöfe seien ohnehin meist kritisch beurteilt worden. Demgegenüber bietet Haupt mit Blick auf den Erec Hartmanns von Aue die Binnensicht. Danach habe sich ritterliches Leben stets im Rahmen eines Hofes vollzogen und neben den bekannten ethischen und moralischen Eigenschaften, neben Jagden und Turnieren natürlich auch eine angemessene Kleidung gefordert. An dieser Stelle hakt Yvonne Leiverkus, Das äußere Erscheinungsbild des staufischen Ritters (S. 193-215), ein, die anhand acht ausgewählter zeitgenössischer Abbildungen anschaulich Kleidung, Rüstung und Bewaffnung erklärt.

Am Ende sind Johannes Laudage, Rittertum und Rationalismus. Friedrich Barbarossa als Feldherr (S. 291-314), und Knut Görich, Die „Ehre des Reichs“ (honor imperii) Überlegungen zu einem Forschungsproblem (S. 36-74), zu nennen. Laudage nimmt Barbarossas Mailand-Feldzug von 1158 in den Blick und legt dar, wie der Staufer seine überlegene Feldherrenkunst erst habe erlernen müssen und bei sich und seinen Rittern nicht auf Schneidigkeit und schnellen Ruhm, sondern vielmehr auf Planung, Disziplin und damit überlegte Kriegsführung gesetzt habe. Ein wenig aus dem Rahmen fällt schließlich der Beitrag von Görich, denn der „Fachmann für honor im staufischen Reich“ (Zotz, wie oben, S. 324) ordnet seine zahlreichen einschlägigen Beiträge in einen größeren Rahmen ein. Es ist schade, dass das ertragreiche Buch nicht durch ein Register erschlossen wird.

Anmerkungen:
1 Vgl. Bumke, Joachim, Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, 2 Bde., München 1986; Fleckenstein, Josef, Rittertum und ritterliche Welt. Unter Mitwirkung von Thomas Zotz, Berlin 2002. Einen aktuellen Überblick bietet jetzt: Hechberger, Werner, Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, München 2004. Vgl. dazu die Rezension in H-Soz-u-Kult unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-1-134.
2 Vgl. dazu nur: Brühl, Carlrichard, Fodrum, Gistum, Servitium regis. Studien zu den wirtschaftlichen Grundlagen des Königtums im Frankenreich und in den fränkischen Nachfolgestaaten Deutschland, Frankreich und Italien vom 6. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Bd. 1, Köln 1968, S. 171f.
3 Otto Morena und seine Fortsetzer, Buch über die Taten Kaiser Friedrichs, in: Schmale, Franz-Josef (Hg.), Italische Quellen über die Taten Kaiser Friedrichs I. in Italien und der Brief über den Kreuzzug Kaiser Friedrichs I., Darmstadt 1986, S. 34-239, hier S. 186-193.

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