Grußwort
Nachdem Leutnant Josef Zürndorfer 1915 mit seinem Flugzeug abgestürzt war, entdeckten seine Angehörigen folgenden Eintrag in seinem Testament: “Ich bin als Deutscher ins Feld gezogen, um mein bedrängtes Vaterland zu schützen. Aber auch als Jude, um die volle Gleichberechtigung meiner Glaubensbrüder zu erstreiten.” Wie Zürndorfer sahen viele junge Deutsche jüdischen Glaubens zu Beginn des Ersten Weltkriegs ihre Chance, durch militärisches Engagement gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten. Der Historiker Golo Mann stellte gar fest, dass es “nichts deutscheres” gegeben habe, als die jüdischen Kriegsfreiwilligen des Ersten Weltkrieges.
Ohne Zweifel hat die nationale Begeisterung jüdischer Soldaten und Offiziere für Respekt und Anerkennung bei vielen ihrer nicht-jüdischen Kameraden gesorgt. Geholfen hat dieser Respekt, diese Anerkennung indes niemandem; die ersehnte Gleichberechtigung blieb vollständig aus.
Mehr noch: Nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, setzten sie alles daran, die jüdischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg für ihr Land, für Deutschland, gefallen waren, aus dem Gedenken auszuschließen. Ein Jude – ein Bürger zweiter Klasse – war weder Deutscher noch Held. Dass sich Juden mit ihrem Land identifizierten und tapfer in der deutschen Armee kämpften, passte nicht in das Propagandabild, das die Nazis zeichneten: Juden? Das waren feige, schmächtige Drückeberger – weder fähig noch würdig für Deutschland zu kämpfen. Und je länger das Regime existierte, je lebensbedrohlicher die Lage für die deutschen Juden wurde, desto mehr mussten sich die jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs widerlegt, gedemütigt und betrogen fühlen – betrogen um die eigene Biographie.
Selbst die höchsten militärischen Auszeichnungen, die jüdische Soldaten zwischen 1914 und 1918 erhalten hatten, hatten auf ihre Deportation und Vernichtung in Nazi-Deutschland – wenn überhaupt – nur aufschiebende Wirkung.
Die Tatsache, dass im Ersten Weltkrieg auch jüdische Soldaten für ihr Vaterland ins Feld gezogen und gefallen sind, ist noch immer vielen Menschen unbekannt. Ich bin sogar versucht zu sagen, es ist für viele Menschen heute unbegreifbar.
Es ist das Verdienst von Oberleutnant Michael Berger, mit der vorliegenden Publikation die Geschichte jüdischer Soldaten in den deutschen Armeen nachzuzeichnen und somit gerade auch der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er zeigt, wie lange dieses Kapitel der deutschen Militärgeschichte bereits andauert und erläutert kenntnisreich und spannend die historischen Zusammenhänge. Michael Bergers Buch beleuchtet ein wichtiges militärhistorisches Thema und bewahrt es so vor dem Vergessen.

Charlotte Knobloch,
Vizepräsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland.
Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern