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Vorwort

Der ein oder andere Leser mag schon mit Interesse auf die Neubearbeitung des überaus erfolgreichen Buches „Von den Stärken ausgehen ..." gewartet haben. Hier liegt sie nun vor. Wir haben uns bemüht Neues zu bieten, ohne Altes aufzugeben. Wir haben in den Abschnitten über die Entwicklung der Bildung, der integrativen Förderung von Kindern mit Behinderungen Ergänzungen vorgenommen und haben zudem im Praxisteil eine Fülle von Kurzformen und Schnellformen des IEP beigefügt, die sich in der Fortbildung sehr bewährt haben. Vor allem die Schnellformen und die Übersichtsformen (für die Wand des Klassenzimmers) haben sich gut bewährt, weil sie dem Anwender viele Freiheiten lassen, das Grundmodell zugunsten eigener Beobachtungsschwerpunkte zu verändern, was durchaus unseren Absichten entspricht.

Zugefügt haben wir einen Abschnitt über Qualitätssicherung/Qualitätskontrolle mit dem Schwerpunkt Qualitätssicherung mit Hilfe von individuellen Entwicklungsplänen zu betreiben. Weiter haben wir einen Abschnitt über eine neue Entwicklung zugefügt: über die Lernportfolios, die man als eine konsequente Fortführung der individuumszentrierten und ressourcenorientierten Diagnostik ansehen kann. In diesem Abschnitt werden viele praktische Hinweise gegeben wie man mit Lernportfolios erfolgreich in Schulklassen arbeiten kann.

Veränderungen gegenüber der ersten Auflage des Buches haben sich vor allen Dingen im Bereich der Situation der Förderschulen ergeben. Man kann inzwischen in allen Bundesländern davon ausgehen, dass der Wandel von der Sonderschule zur Förderschule vollzogen ist, genau so wie in den rechtlichen Bestimmungen der Wandel von der Auslese für bestimmte Sonderschulformen zur Beschreibung des individuellen Förderbedarfs eines Schülers mit besonderen Förderbedürfnissen vollzogen ist. Wir werden in dem Abschnitt die ergänzenden Positionen mit aufführen. Genauso kann man davon ausgehen, dass große Schritte in Richtung auf die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung unternommen wurden, wenngleich es noch sehr große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt.

Parallel dazu hat sich auch in der praktizierten Förderdiagnostik inzwischen eine bedeutsame Veränderung ergeben. Immer mehr Lehrer greifen bei Bestimmung der besonderen Förderbedürfnisse von Schülern zu Methoden einer individuumszentrierten Diagnostik und verlassen den Bereich standardisierter Tests. Da in der Entwicklung standardisierter Tests in den letzten Jahren nur wenig geschehen ist, haben diese Verfahren nicht auf die veränderten schulischen Bedingungen reagieren können, ja sie haben sie noch nicht einmal im Blickwinkel. Welcher Intelligenztestentwickler in Deutschland hat schon daran gedacht, dass bei der Frage der Bestimmung der besonderen Förderbedürfnisse nicht die Intelligenz das Leitmerkmal ist, sondern der individuelle Förderbedarf.

Alles zusammen steht natürlich in der Entwicklung einer Diagnostik von einer bewährten messenden Diagnostik hinzu einer systemischen (bei uns zu einer ökoystemischen) Diagnostik. Auch darüber findet sich nun eine Extraausführung in diesem Buch.

Es geht heute eben nicht mehr darum eine Kritik an der Diagnostik zu beschreiben, sondern es geht in erster Linie darum, dem praktisch tätigen Lehrer, Heilerziehungspfleger, Heilpädagogen, Erzieher, Motopäden, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden Methoden in die Hand zu geben, mit denen er wirklich arbeiten kann, um ein umfassendes Bild vom Kind zu bekommen. Zu diesem umfassenden Bild des Kindes gehören auch selbstverständlich eine Beschreibung der familiären Situation, der Situation der Eltern, der Einstellungen der Eltern zum Kind und es gehört natürlich auch eine Beschreibung des Lebenskontextes des Kindes dazu, wobei der nähere Lebenskontext die Familie umfasst, der weitere Lebenskontext die Gleichaltrigen und die Spiel- und Lebenssituation des Kindes in seinem Umfeld.

Insgesamt haben wir uns bemüht, viele Beispiele zu bringen, von denen die meisten auf der im Buch beigefügten CD nunmehr enthalten sind. Die wichtigsten haben wir im Text zusammengefasst, genauso wie wir die wichtigsten einzelnen Methoden und die wichtigsten verschiedenen Formen des lEPs im Text beschrieben haben.

Generell muss man sagen, dass wir ein wenig vom Aufbau der Erstauflage abweichen. Es geht nicht mehr darum das umfassende Bild zu betonen, das ein IEP geben soll, sondern es geht darum zu betonen, welche Schwerpunkte man in der Praxis zu welchen Zwecken in der Beobachtung und Beschreibung heranziehen sollte und wie weit man persönliche Überlegungen mit in das Schreiben eines lEPs einbeziehen kann. Es hat sich nämlich sehr bald nach der Veröffentlichung der Erstausgabe gezeigt, dass die Fülle der vorgeschlagenen Beobachtungsgesichtspunkte manchen Praktiker überfordert hat; der gesagt hat, „so viel das kann ich und das will ich nicht und deswegen kann und möchte ich nicht mit dieser Dokumentationsmethode arbeiten". Nun ist aber inzwischen doch in den meisten Bundesländern das Schreiben eines Individuellen Förder oder Entwicklungsplanes, oder wie es zum Beispiel in Niedersachsen heißt, eines Lernentwicklungsplanes mehr oder weniger Vorschrift geworden. Mit unseren vereinfachten Kurzvorschlägen, denken wir, dass wir den Wünschen mancher Praktiker auf bessere Überschaubarkeit nachgekommen sind.

Die redaktionelle Neubearbeitung haben meine bewährten Mitarbeiterinnen Christina Reichenbach und Christina Lücking übernommen, in dem sie die zahlreichen neuen mit den alten Texten harmonisch verbunden haben. So ist ein Text entstanden, der die Vorteile der alten Fassung mit den vielen Neuerungen verknüpft hat, die sich in der Zeit seit 1997 im Gebäude der ökoystemischen Diagnostik ergeben haben. Der Abschnitt über Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle mit lEPs stammt von Christina Lücking. Beiden möchte ich für die behutsame Bearbeitung des gesamten Textes danken.

Dietrich Eggert

Hannover, Oktober 2006