P. W. Haider; R. Rollinger: Althistorische Studien im Spannungsfeld

Titel
Althistorische Studien im Spannungsfeld zwischen Universal- und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift für Franz Hampl zum 90. Geburtstag am 8. Dezember 2000


Herausgeber
Haider, Peter W.; Rollinger, Robert
Erschienen
Stuttgart 2001: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
486 S.
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Demandt, Freie Universität Berlin

Der Nestor der österreichischen Althistorie, erst Antipode, dann Nachfolger von Fritz Schachermeyr in dieser Rolle, verdankt sein Ansehen nicht seinen Büchern. Nach seinen beiden Qualifikationsschriften von 1934 über den König der Makedonen und 1938 über die griechischen Staatsverträge des 4. Jahrhunderts v. chr. hat er nur eine kleine Biographie zu Alexander dem Großen (1958) und ein Bilderbuch über Dämonen aus aller Welt (1992) vorgelegt. Hampls Rang zeigen ein halbes Hundert Aufsätze und eine ungewöhnlich hohe Zahl an Besprechungen. In ihnen erweist er sich als vorzüglicher kritischer Kommentator der Forschung. Kenntnisreicher Scharfsinn, universalhistorische Blickweite und Mut zu prägnanten, mitunter polemischen Formulierungen zeichnen ihn aus. Ingomar Weiler hat Hampls Kleine Schriften in drei Bänden 1975/79 herausgegeben.

Hampls Geist lassen auch die hier vorgelegten Beiträge spüren. Auf das Schriftenverzeichnis des Jubilars folgen Artikel zur allgemeinen und vergleichenden Historie: über den Selbstmord bei den Maya (H. Aigner), über ägyptische Goldmasken (S. E. Fick), über den Kulturvergleich bei Hampls Schülern (G. Lorenz) und - höchst informativ! - über wirtschaftsgeschichtliche Gemeinplätze (F. Mathis).

Ein zweiter Teil widmet sich der antiken Historiographie. Es geht (wieder einmal) um die Entstehung der etruskischen Kultur (Aigner-Foresti), um Herodot und Ägypten (P. W. Haider), um den Staatsstreich des Darius bei Herodot - angeblich als Parodie geschrieben, aber immer mißverstanden (außer bei G. Kipp), um Velleius und die Einrichtung der römischen Provinz Raetien schon unter Tiberius (R. Rollinger), um Landeskunde bei Polybios, Timaios und Hampl als Exkursionsleiter (I. Weiler).

Der folgende Teil über Wissenschaftsgeschichte beginnt mit der gedankenreichen Studie von Reinhold Bichler über Hampls Verhältnis zum Prozeß der Weltgeschichte und zu den großen Männern. Hampl vertritt einen universalhistorischen Fortschrittsgedanken und unterstreicht die Bedeutung der führenden Völker, deren genetisches Potential sie vor anderen auszeichne. Nicht die Reinheit der Rasse, sondern die richtige Mischung sei dafür entscheidend. Sozioökonomische Randbedingungen bleiben Sekundärfaktoren. Trotz skeptischer Haltung in Einzelfällen sind für Hampl Aufstieg und Niedergang in der Kulturgeschichte fixe Kategorien - ebenso in der Gegenwartsanalyse, wo er zivilisationskritisch Position bezieht. Ein besonderes Interesse Hampls gilt den großen Persönlichkeiten. An ihrem Einfluß wird nicht gezweifelt, ihre Integrität jedoch grundsätzlich problematisiert. Hampls Kampf gegen Verherrlichung und Verharmlosung basiert auf einem Vertrauen darauf, daß sich Motive ermitteln und moralisch werten lassen. Hinter jedem bedeutenden Staatsmann erscheint irgendwo Adolf Hitler. Aber können wir wirklich wissen, was einen Staatsmann bewogen, was er erstrebt hat? Nicht was wer will, sondern was wer tut, ist faßbar. Die Motive eines Politikers sind so gleichgültig wie die eines Schornsteinfegers. Glück muß er bringen.

Der folgende Beitrag ist dem Staatsgedanken von Helmut Berve gewidmet, zu dessen Residenz am oberbayerischen Pilsensee sein Schüler Hampl mit Entourage jährlich eine "Wallfahrt" durchführte - so sahen das die Jüngeren. Berve ist ein Lehrfall für das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Ideologie, hier der nationalsozialistischen, aus der er die Deutungskategorien für die historischen Tatsachen gewonnen hat. Christoph Ulf ordnet Berve in die Zeitströmung ein, die er mitgetragen hat, wo wie sie ihn, und zeigt den Einfluß Berves auf seine Schüler, auch auf Hampl. Dieser selbst erscheint wiederum in seiner "lebensformenden Strahlkraft" auf seine eigenen Schüler (A. Aigner, St. Dietrich, N. Ortner, R. u. W. Rießner). Offenbar vermittelt das Oeuvre nur einen Teil der Wirkung Hampls als Mensch. Bedeutender als jemand, der schreibt, ist jemand, über den geschrieben wird.

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