Das Duell vom Mittelalter bis zur Moderne – interdisziplinäre und internationale Perspektiven

Das Duell vom Mittelalter bis zur Moderne – interdisziplinäre und internationale Perspektiven

Organisatoren
Ulrike Ludwig (Dresden), Gerd Schwerhoff (Dresden), Barbara Krug-Richter (Münster)
Ort
Bielefeld
Land
Deutschland
Vom - Bis
31.05.2010 - 02.06.2010
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Von
Andreas Meier, Dresden

Vom 31. Mai bis 2. Juni 2010 veranstaltete das Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) in Bielefeld die Tagung „Das Duell vom Mittelalter bis zur Moderne – interdisziplinäre und internationale Perspektiven“. Die von Ulrike Ludwig, Gerd Schwerhoff und Barbara Krug-Richter geleitete Tagung entsprang der Kooperation zwischen dem Dresdner DFG-Projekt „Das Duell als kulturelle Praxis in der Frühen Neuzeit“ und dem Teilprojekt C2 „Symbole, Rituale und Gesten in frühneuzeitlichen Konflikten und alltäglichem Handeln” im Münsteraner SFB 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Spätmittelalter bis zur französischen Revolution“. Ziel war es, eine Diskussionsplattform für eine international, interepochal und interdisziplinär vergleichende Forschung zum Phänomen ‚Duell’ zu schaffen: Zu diesem Zweck wurden Forschungsergebnisse aus verschiedenen Disziplinen, Epochen und Ländern gemeinsam vorgestellt und diskutiert, um die Spezifik des Rituals ‚Duell‘ als eigenständige kulturelle Praktik im Kontext sich wandelnder Wertesysteme zu erfassen. Zugleich galt es in einer europäischen Langzeitperspektive sowohl nach Transferprozessen als auch nach der Bedeutung unterschiedlicher (Elite)Kulturen für die Herausbildung spezifischer Duellpraktiken zu fragen.

In der Eröffnungssektion wurden in einem interdisziplinären Zugriff Potenziale, Herangehensweisen und Fragehorizonte der Duellforschung vermessen, um erste Leitperspektiven für die weitere Diskussion zu entwickeln. Zunächst stellten GERD SCHWERHOFF und ULRIKE LUDWIG zentrale Linien der bisherigen deutschen und internationalen Duellforschung vor, um darauf aufbauend Desiderate und offene Fragen zu benennen. Als besonders wichtig erwies sich die Frage, wie das Duell als zeitlich und räumlich übergreifendes Phänomen grundsätzlich bestimmt werden kann. Den bisher zumeist vertretenen Ansatz einer ‚klassischen’ Duelldefinition (als verabredete, regelhafte und mit tödlichen Waffen ausgefochtene Zweikämpfe, in denen man seine Ehre unter Beweis stellte) kennzeichneten sie als problematisch. Denn mit der darin enthaltenen Idee einer wesenskonstituierenden Regelhaftigkeit des Duells und der Fokussierung auf Handlungsablauf und Ehrenschutz würden die Variabilitäten des Duells in raumzeitlicher Perspektive zu schnell verdeckt. Vielmehr sei zu betonen, dass das Duell als diskursives Konstrukt und kulturelle Praxis im Laufe der Zeit und in seiner räumlichen Ausbreitung erheblichen Veränderungen unterlag.

BARBARA KRUG-RICHTER setzte aus ethnologischer Sicht die Akzente anders, indem sie vor allem die Konstanten innerhalb der Gewaltpraktiken, etwa das Ideal des fairen Kampfes, betonte. Ausgehend von einem phänomenologischen Zugriff plädierte sie dafür, gerade bestehende Überschneidungen verschiedener Gewaltpraktiken herauszuarbeiten. Zugleich verwies sie auf die ganz grundsätzliche Bedeutung von Ehrkulturen für die Ausformungen von Gewaltpraktiken.

MICHAEL MEUSER zeigte vor dem Hintergrund geschlechtertheoretischer Debatten auf, dass das Duell auch als Modus zur Darstellung von Männlichkeit zu begreifen ist und der Kampf selbst bereits als Form homosozialer Vergesellschaftung. Als zentrales Wesensmerkmal dieser ‚ernsten Spiele des Wettbewerbs’ stellte er die Gleichzeitigkeit von Assoziation und Konkurrenz heraus und verwies auf die übergreifende Bedeutung von Gewalt als Inklusions- und Exklusionsmechanismus – ein Aspekt, der gerade im Kontext der Frage nach den Funktionen des Duells interessant sei.

AHMET TOPRAK gab in seinem Beitrag zu bedenken, dass eine stärkere Einbettung der Konzeptionalisierung von Ehre in parallel bestehende Deutungs- und Handlungssysteme notwendig sei. Im Anschluss an Erkenntnisse der Sozialwissenschaften verwies er vergleichend darauf, dass beispielsweise bei Jugendlichen mit einem türkisch geprägten Migrationshintergrund neben der ‚Ehre’ auch dem ‚Ansehen’ und der ‚Freundschaft’ zentrale Bedeutung für das individuelle Handeln zukomme. Im Anschluss daran ließe sich fragen, ob der enge Konnex zwischen Ehrkonzepten und Duellen als Handlungsmuster nicht stärker hinterfragt und um andere Aspekte ergänzt werden müsste.

MONIKA MOMMERTZ plädierte in ihrem Kommentar zur Sektion entschieden dafür, innerhalb der Diskussion den interpretativen Rahmen jeweils explizit zu benennen: In diesem Sinne wäre die Verwendung eines Forschungsbegriffs Duell als Kategorie für einen bestimmten Typ von Gewalt denk- und nutzbar und dies unabhängig davon, ob in den entsprechenden Untersuchungsräumen und -zeiten dieses Gewalthandeln als Duell bezeichnet wurde. Von einem solchen Duellverständnis zu unterscheiden sei jedoch das zeiträumlich begrenzte, diskursive Phänomen Duell, das an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert aufkam und im frühen 20. Jahrhundert schließlich weitgehend ausklang.

Die zweite Sektion widmete sich den mittelalterliche Vorformen und Vorbildern des Duells. Zunächst ging SARAH NEUMANN dieser Frage beispielhaft am gerichtlichen Zweikampf nach. Mit dem ‚Ritter Galmy“ von Jörg Wickram (1539) nutzte sie einen literarischen Text der Übergangszeit, um die Inszenierung ritualisierter Gewalt in Zweikampfdarstellungen auf ihre Wirkmächtigkeit hin zu befragen. Sie betonte, dass Zweikampfberichte vor allem als Selbstvergewisserung des Adels zu lesen seien.

UWE ISRAEL verwies in seinem Kommentar besonders darauf, dass gerade Ehrenzweikämpfe vor Kampfgerichten als Übergangsform zwischen gerichtlichem Zweikampf und Duell begriffen werden können und dass bei den Phänomenen gerichtlicher Zweikampf und Duell nicht von einer linearen Entwicklung auszugehen sei, sondern Phasen der phänomenologischen Überlappung zu konstatieren wären.

Die dritte Sektion wandte sich exemplarischen Diskursfeldern zu, die für die Verbreitung und vor allem die konkrete Ausformulierung des Duellverständnisses innerhalb bestimmter Gesellschaften von Bedeutung waren. Eröffnet wurde die Sektion mit einem Beitrag von RICHARD CRONIN, der sich mit Duellen englischer Literaten des frühen 19. Jahrhunderts befasste. Cronin betonte die enge Verknüpfung von ‚Krisen der Männlichkeit’, die durch das professionelle Schreiben von Frauen ausgelöst wurden, und dem Bedeutungszuwachs von Duellen für Schriftsteller als Medium der Abgrenzung gegenüber Schriftstellerinnen und als Mittel einer beruflichen und geschlechtlichen Distinktion.

ALEXANDER KÄSTNER untersuchte anhand von Leichenpredigten für Duellanten und gewaltsam zu Tode gekommene Männer diskursive Strategien, mit denen die Hinterbliebenen den prekären Status des Seelenheils der im Duell Verstorbenen wieder zu stabilisieren suchten. Innerhalb der Funeraltexte wurden unterschiedliche normative Handlungsressourcen austariert, um auf diese Weise den jeweiligen Einzelfall aufgrund seiner besonderen Umstände als theologisch unbedenkliche Ausnahme zu präsentieren.

ULRIKE LUDWIG zeigte, dass das Aufkommen, die Etablierung und die Popularisierung des Duells im Alten Reich eng mit Prozessen der Normsetzung und des Normtransfers verknüpft waren. Sie demonstrierte, dass das Duell in den Territorien des Alten Reiches nicht als neue Gewaltpraxis Einzug hielt, sondern zunächst das Ergebnis einer Umetikettierung bereits bestehender Gewaltpraktiken war. Nach dieser ersten Phase der Etikettierung erfolgte in einer zweiten Etappe die Etablierung des Duells als eigenständigem Straftatbestand. Erst in einer dritten Phase könne dann von einer Ausformung des Duells als singulärer kultureller Praxis gesprochen werden. Angesichts dieser Ergebnisse plädierte sie dafür, das Duell als Produkt sich wandelnder Zuschreibungen zu begreifen, an das sich ganz unterschiedliche Handlungsweisen anlagern konnten.

MARC BORS führte im Anschluss daran aus, dass die Duellpraxis im deutschen Kontext für die Injurientheorien des 19. Jahrhunderts als wichtige Verweisstruktur in der Argumentation diente. Für die liberalen Injurientheoretiker firmierte das Duell als Symbol eines alternativen Rechtsbegriffs. Für die Vertreter eines repressiven Injurienrechts diente es hingegen als Symbol für die Negation von Alternativen zum Recht.

KARL HÄRTER betonte in seinem Kommentar, dass es stärker zu hinterfragen gelte, welche Rückwirkungen die Diskurse auf die Praktiken hatten und inwieweit von einer Dialektik zwischen beiden auszugehen ist. Zugleich verwies er auf die Bedeutung von Diskursgemeinschaften der Textproduzenten und Rezipientenkreise, deren soziale Zugehörigkeit möglicherweise entscheidend für die Wahrnehmung des Duells als elitäre Praxis sei.

In der vierten Sektion wurde nach Formen ständisch begründeter Teilhabe und daran anknüpfend nach Praktiken des Duells gefragt. Die erste Teilsektion widmete sich Fürsten und Adel. BIRGIT EMICH zeigte für die Duellforderungen Karls V. an Franz I. (1526, 1528, 1536), dass diese zum einen in der Traditionslinie mittelalterlicher Herrscherzweikämpfe standen. Zum anderen erwiesen sich die Forderungen Karls V. aber auch als Etappe eines grundsätzlichen Wandels hin zu einer frühneuzeitlichen Duellkultur: So sah sich Karl noch in der Tradition der Fürstenzweikämpfe, in denen die Forderung zum Kampf als Mittel der Politik in ein weiter zu fassendes Repertoire der Körperpolitik eingeordnet werden kann. In den Reaktionen Franz I. schien hingegen schon das Duell als Ehrkonflikt durch. Damit verdeutlichte das Beispiel exemplarisch die zwischen verschiedenen Regionen phasenversetzte Herausbildung des Duells als kulturelles Muster einerseits und die Überlagerung verschiedener Diskurse und der darin eingelagerten kulturellen Muster andererseits.

SILKE MARBURG zeigte am Beispiel der Novelle „Der Entehrte“ von König Johann von Sachsen (1862), wie hier ein ganzes Erklärungsrepertoire der Duellgegnerschaft abgearbeitet wird. Die Novelle verdeutlicht exemplarisch einen geänderten Ehrbegriff, der vor dem Hintergrund moraltheologischer Erklärungsmuster den Duellverzicht als Zeichen einer höhere Ehre deutete, da hierzu angesichts des sozialen Duellzwangs mehr Mut gehöre als zum Kampf. Zugleich blieb aber der Einsatz von Leib und Leben als Leitidee adlig-ritterlicher Ehre bestehen, wenngleich dieser nun in der moralisch unbedenklichen Rettung des Lebens Unschuldiger daherkam.

MARKKU PELTONEN betonte für England, dass Duelle im Ergebnis eines medial getragenen Kulturtransfers auf der Insel bekannt und populär wurden. Bemerkenswert sei dabei, dass in zeitlicher Perspektive die Wahrnehmung und Deutung des Duells als fremdkulturelle Praktik am Ende des 17. Jahrhunderts von neuen Geschichtskonstruktionen überlagert wurden, die das Duell nun als typisch britisch kennzeichneten. Hier werde somit eine Neuerfindung eigener Geschichte greifbar, eine Umdefinition des Fremden zum Bestandteil der eigenen Kultur.

STEPHAN GEIFES verwies im Anschluss daran für das nachrevolutionäre Frankreich darauf, dass hier gerade das Fehlen einer Sondergesetzgebung de facto zu einer Straffreiheit des Duells führte und es im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Ausformung einer spezifisch französischen Duellkultur kam. Die Duellanten drängten in die Öffentlichkeit zurück und Duelle wurden gerade im Kreis bürgerlicher Intellektueller zu einer wichtigen Strategie des gezielten Zugewinns an Ehre.

JOSEF MATZERATH hob in seinem Kommentar hervor, dass sich an den Beiträgen des ersten Teils der Sektion die Uneinheitlichkeit des Phänomens Duell in europäischer Perspektive ablesen lasse. In den Auseinandersetzungen um Duelle und Duellanten ginge es hierbei zwischen Fürsten und Adel immer auch um das Aushandeln verschiedener Herrschaft- und Machtstrategien. Mit Blick auf die Konstituierung von Ehre und der Selbstvergewisserung ständischer Zugehörigkeit müsse man aber auch im Blick behalten, dass das Duell der Extremfall im ‚distinktiven Wettbewerb’ gewesen sei.

Die zweite Teilsektion war den Militärs, Handwerkern und Studenten gewidmet. MAREN LORENZ stellte am Beispiel des Militärs in den deutschen Provinzen Schwedens die Frage, was die Duellpraktiken von anderen Formen gewaltsam ausgetragener Ehrkonflikte unterschied. Sie stellte heraus, dass eine solche Abgrenzung nur in Ansätzen möglich sei; ausgehend von einer phänomenologisch vorgehenden Beschreibung der Gewaltpraktiken bestünden deutliche Schnittmengen zwischen den verschiedenen Formen gewaltsam ausgetragener Ehrhändel. Sie plädierte daher dafür, den Duellbegriff nicht für ein begrenztes Phänomen zu monopolisieren.

GUNDULA GAHLEN betrachtete anschließend die Verbreitung des Duells im bayerischen Offizierskorps des 19. Jahrhundert. Sie konnte anhand detaillierter sozialgeschichtlicher Analysen zeigen, dass deutlich stärker als bisher die Heterogenität der sozialen Herkunft der bürgerlichen Offiziere berücksichtigt werden müsse: Denn im bayerischen Fall führte gerade die Zunahme sozialer Heterogenität unter den Offizieren dazu, dass das Duell als Zugangsstrategie zur satisfaktionsfähigen Gesellschaft erheblichen Aufwind erfuhr.

ANDREAS MEIER untersuchte anhand kursächsischer Fälle Duelle unter Handwerkergesellen. Er verwies darauf, dass Duelle unter Angehörigen dieser sozialen Formation zwar selten waren, sich aber dennoch fragen ließe, inwieweit für die Frühe Neuzeit überhaupt von einer alleinigen Duellberechtigung der sogenannten satisfaktionsfähigen Gruppen gesprochen werden kann: Denn offenbar gingen alle Beteiligten davon aus, dass sich auch Handwerkergesellen duellieren konnten. Zugleich sei zu vermuten, dass Duelle – die in den untersuchten Fällen gerade nicht als spezifisches und von anderen Gewaltpraktiken unterscheidbares Distinktionsmittel oder gar als Aufsteigerpraktik fungierten – funktionslos und damit auch unattraktiv blieben.

BARBARA KRUG-RICHTER fragte in ihrem Beitrag grundsätzlicher nach der Bedeutung von Zweikampfpraktiken innerhalb einer weiter zu fassenden studentischen Konflikt- und Gewaltkultur. Sie favorisierte sowohl eine phänomenologische Herangehensweise, nach der Duelle über die Handlungsmuster zu bestimmen seien, als auch eine praxeologische Perspektive, die nach dem sozialen Sinn gewaltförmiger Praktiken der Konfliktaustragung für die Konstituierung und Aufrechterhaltung einer studentischen Identität fragt. In zeitlicher Perspektive zeige sich überdies die große Bedeutung des sogenannten Rencontres als Vorläufer des studentischen Duells; hierbei handelte es sich um eher spontane Formen des bewaffneten Zwei- oder Mehrkampfs, die dennoch keinesfalls so regellos abliefen wie allgemein angenommen.

MARIAN FÜSSEL betonte in seinem Kommentar, dass in den vorgestellten Beiträgen jeweils eine spezifisch ständische Rationalität deutlich werde, die sich innerhalb von korporativen Schutzräumen ausbilden konnte. Allen drei Bereichen gemeinsam sei zudem, dass es sich um Jungmännermilieus handele.

In der abschließenden fünften Sektion der Tagung wurde der inhaltliche Fokus erneut ausgeweitet und in übergreifender Perspektive verschiedene Formen des Zweikampfs und deren Darstellungsmodi vergleichend diskutiert. JÜRGEN MÜLLER eröffnete mit einem Beitrag über die ästhetischen Strukturen der Darstellung des Duells in Bild und Film. Als entscheidend erwies sich weniger die Frage, was ein Duell sei, sondern wann ein Duell in der Darstellung erkennbar ist. Insgesamt sei zu betonen, dass das Duell als Epochenmetapher der Sattelzeit sowohl die zeitgenössischen Diskurse und Repräsentationen als auch deren spätere Rezeption beeinflusst habe.

REINHARD ZÖLLNER stellte für die Zweikämpfe der Samurai heraus, dass hier durchaus Parallelen zum vornehmlich europäischen Phänomen des Duells erkennbar sind, direkte Verbindungen zwischen beiden Zweikampfkulturen seien aber nicht zu konstatieren. Als parallele Elemente verweis er etwa auf die Betonung des fairen, im Sinne von mit gleichen Mitteln ausgetragenen Kampfes sowie auf die Bedeutung der Zweikämpfe für die Her- und Darstellung von Männlichkeit und Ehrenstatus.

PETER WETTMANN-JUNGBLUT fragte in seinem Beitrag, inwieweit Zweikämpfe im Allgemeinen und Duelle im Besonderen als Element einer männlichen Jugendkultur anzusehen seien. Er betonte, dass die zahlreichen Konfrontationslinien sozialer Differenz unter männlichen Jugendlichen und Jungmännern insgesamt ein Zufälligkeitsprinzip bei der Wahl potenzieller Konfliktgegner begünstigte und bis etwa 1945 Gewalt innerhalb der Gruppe der Jungmänner und vor allem auch in der umgebenden Gesellschaft weitgehend akzeptiert war.

In seinem Kommentar zur Sektion forderte PIETER SPIERENBURG, Phänomene ritualisierten Gewalthandelns stärker in ihrer quantitativen Bedeutsamkeit zu bestimmen und so eine Einbettung in generelle Entwicklungen zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund gelte es dann, regionale und zeitliche Differenzen herauszuarbeiten. Zugleich forderte er, anthropologische Aspekte und traditionelle Konzepte von Ehre stärker zu berücksichtigen. Gerade mit Blick auf Ehrkonzepte sei die Differenz zwischen einer vertikalen (Position in der Gesellschaft) und einer horizontalen (Position in der Peergroup) Perspektive der Ehre zu unterscheiden. In diesem System ließen sich Duelle als typische Form von Ehrenhändeln innerhalb der Peergroup beschreiben und einordnen.

In der Abschlussdiskussion wurde nochmals vergleichend über das Verständnis des Duells als phänomenologisch beschreibbare Gewaltpraxis einerseits und Produkt sich wandelnder gesellschaftlicher Zuschreibungen andererseits diskutiert. Hierbei wurde herausgestellt, dass in einem phänomenologischen Zugriff Duelle in eine quasi anthropologische Grundform des Kampfes mit einem gewissen Grad an Ritualisierung einzubetten sind. Hiernach könne zwischen ‚ordentlichen’ und jeweils zeitgebundenen ‚populären’ Spielarten des Duells unterschieden werden. Richtungspunkt eines solchen Duellverständnisses wäre die Einbettung des Duells in grundsätzliche Strukturen der Ehr- und Gewaltkultur.

Betrachtet man das Duell hingegen als Ergebnis von raumzeitlich veränderlichen Zuschreibungsprozessen, ist damit ebenso die Wandelbarkeit des Phänomens und seiner Handlungsweisen berücksichtigt. Duelle wären in dieser Perspektive aber weniger Spielarten eines Archetypus, sondern Produkte kollektiver Zuschreibungen und Imaginationen, die sich immer auch, aber eben nicht nur in konkreten Handlungsweisen niederschlügen. Mit dieser Perspektive verknüpft ist eine zeitliche, räumliche und raumzeitlich variierende soziale Eingrenzung des Phänomens Duell und seiner Funktionen.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Britta Padberg, Geschäftsführerin des ZiF (Bielefeld)

Sektion I: Ansichten zum Duell – Disziplinäre Zugänge (Impulsreferate)
Sektionsleitung: Gerd Schwerhoff (Dresden)

Ulrike Ludwig (Dresden) / Gerd Schwerhoff : Geschichtswissenschaft
Barbara Krug-Richter (Münster): Volkskunde/Europäische Ethnologie
Michael Meuser (Dortmund): Soziologie/Geschlechtertheorie Distinktion und Konjunktion - Zur Konstruktion von Männlichkeit im Wettbewerb
Ahmet Toprak (Dortmund): Angewandte Sozialwissenschaften
Kommentar: Monika Mommertz (Freiburg)
Diskussion der Beiträge und der Sektion

Sektion II: Vor- und Frühgeschichte des Duells?
Sektionsleitung: Franz-Josef Arlinghaus (Bielefeld)

Sarah Neumann (Oldenburg): Gewaltspektakel? – Deutungsvarianten des gerichtlichen Zweikampfes im Mittelalter
Malte Prietzel (Frankfurt am Main): Krieg, Wettstreit und Schauspiel. Zweikämpfe in Frankreich und Burgund während des 14. und 15. Jahrhunderts (Krankheitsbedingt entfallen)
Kommentar: Uwe Israel (Venedig)
Diskussion der Beiträge und der Sektion

Sektion III: Diskursfelder
Sektionsleitung: Gerd Schwerhoff

Richard Cronin (Glasgow): Paper Pellets: Literary Duelling in Romantic
Alexander Kästner (Dresden): Ein seliger Tod? Leichenpredigten auf Duellanten
Diskussion der Beiträge
Ulrike Ludwig: Das Recht als Medium des Transfers. Die Ausbreitung des Duells im Alten Reich
Marc Bors (Fribourg): Duell und Injurienprozess. Alternative Konfliktlösungen?
Kommentar: Karl Härter (Frankfurt am Main)
Diskussion der Beiträge und der Sektion.

Sektion IV: Praktiken im ständischen Kontext
Teil A: Fürsten und Adel
Sektionsleitung: Ronald G. Asch (Freiburg)

Birgit Emich (Erlangen): Körper – Politik? Die Duellforderungen Karls V.
Silke Marburg (Dresden): Duell und ständische Identität im Wandel. König Johann von Sachsen (1801-1873) deutet den Duellverzicht
Diskussion der Beiträge
Markku Peltonen (Helsinki): The Duel, Law and Honour in Early Modern England
Stephan Geifes (Paris): Zwischen Ehrverteidigung und Ehrerwerb. Das französische Duell im 19. Jahrhundert
Kommentar: Josef Matzerath (Dresden)
Diskussion der Beiträge und der Sektion

Teil B: Militärs, Handwerker und Studenten
Sektionsleitung: Ulrike Ludwig

Maren Lorenz (Hamburg): Das Duell im schwedischen Militär des 17. Jahrhunderts
Gundula Gahlen (Potsdam): Duellpraktiken im bayerischen Offizierskorps im 19. Jahrhundert
Diskussion der Beiträge
Andreas Meier (Dresden): (Außer-)gewöhnliche Gewaltdelikte. Das Phänomen der Handwerkerduelle in Kursachsen im 17. und 18. Jahrhundert
Barbara Krug-Richter: Das studentische Duell im 18. und 19. Jahrhundert
Kommentar: Marian Füssel (Göttingen)
Diskussion der Beiträge und der Sektion

Sektion V: Zweikämpfe
Sektionsleitung: Barbara Krug-Richter

Reinhard Zöllner (Bonn): Der Zweikampf der Samurai
Peter Wettmann-Jungblut (Saarbrücken): Zweikampf als Muster in der männlichen Jugendkultur
Jürgen Müller (Dresden): Das Duell im Film
Kommentar: Pieter Spierenburg (Rotterdam)
Diskussion der Beiträge und der Sektion

Abschlussdiskussion


Redaktion
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