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Ruth & Günter Hortzschansky
 

 

Möge alles schmerzliche nicht umsonst gewesen sein.

Von Leben und Tod der Antfaschistin Judith Auer 1905-1944

 

 

2017, 265 S., 38 Fotos u. Abb., ISBN 978-3-86464-116-9, 19,80 EUR

 

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Inhalt

 

Vorbemerkung                                             9

„Stets besorgt um ihre jüngeren Geschwister“     15

„Absolute Wahrheitsliebe und Ehrlichkeit“     32

„Als Eheleute eingetragen“                         44

„Unser Ruthchen“                                      57

„Es gab für sie kein Unmöglich“                  63

„Ohne jedes Zaudern“                               68

„Ich bin keine Heldin“                              100

„Wir reichen jedem Hitlergegner die Hand“ 131

„Weil ich an meine Tochter denke“            145

Nachwort                                                 175

Aus Aufzeichnungen und Briefen Judith Auers     179

   Aus Aufzeichnungen über die Entwicklung ihrer Tochter (November 1929 bis Januar 1932)        179

   Briefe an den inhaftierten Ehemann (1934/1935)     191

   Notizen zu Romanen Fontanes              227

   Aus Aufzeichnungen zu Problemen der Kindererziehung (August/September 1943)                233

   Briefe an die Tochter 1943/1944          244 

Zu den Quellen und zur Literatur            263

Bildnachweis                                       265

 

 

 

Vorbemerkung

Im November 1970 bezogen wir unsere neue Wohnung am Leninplatz. Aus den Fenstern an der Rückseite des Hauses sahen wir auf die Ruine jener Essigfabrik, die Rosa Luxemburg in einem ihrer Briefe aus dem Gefängnis erwähnte. Und hinter dieser Ruine lag jenes Gefängnis, in dem sie eingekerkert war. In diesem Frauengefängnis in der Barnimstraße – es ist ebenso wie die Fabrikruine seit vielen Jahren abgerissen, – so sah ich zum letzten Mal meine Mutter. Diese Begegnung bleibt mir immer in Erinnerung wie die gesamte, viel zu kurze Zeit, die ich mit ihr verbringen konnte. Über ihr Leben und über ihren mutigen Kampf gegen die deutschen Faschisten habe ich so manches Mal berichtet: vor Arbeitskollektiven, die ihren Namen trugen, vor Jugendlichen wie vor Senioren. Ich erzählte aus eigenem Erleben, aus der Kenntnis von Erinnerungsberichten, der Einsicht in Akten und andere nachgelassene Materialien.

Wenn ich gemeinsam mit meinem Mann daran gegangen bin, einen Abriss des Lebens meiner Mutter niederzuschreiben, so hat das verschiedene Gründe. Zum einem wollten meine Töchter und Enkelkinder mehr über ihre Groß- beziehungsweise Urgroßmutter erfahren. Außerdem gab es in der Straße in Berlin-Lichtenberg, die nach meiner Mutter benannt ist, nach dem Ende der DDR Vorfälle, die mich sehr schmerzlich berührten. Das Jugendheim, das dort bestand und ebenfalls ihren Namen trug, wurde zu einem Treffpunkt militanter rechtsradikaler Jugendlicher. Der Ruf: „Die Auers kommen“ war für links orientierte Jugendliche zum Warn-signal vor Überfällen solcher Horden geworden.

Das war ein Ausdruck der sich ausbreitenden neofaschistischen Welle, deren Ursache ich nicht primär als Folge notwendiger Regelungen in Kindergärten und -krippen oder gar des gesellschaftlichen Systems der DDR sehe. Meine langjährigen Erfahrungen als Kindergärtnerin, Hortnerin und Lehrerin, die Entwicklungen meiner damaligen Zöglinge, die guten Kontakte, die ich noch mit vielen von ihnen habe, sagen etwas anderes aus. Eine wichtige Ursache dieser gefährlichen Erscheinungen liegt vielmehr in dem in der BRD vorherrschenden Antikommunismus, der die entschiedensten Antifaschisten verketzert, so ein einheitliches Vorgehen gegen den Neofaschismus erschwert und damit den erbittertsten Feinden der Demokratie nützt. In vielen Medien wird ein Bild von Kommunisten gezeichnet, das fatal an das der Antibolschewistischen Liga erinnert, die von Stinnes und anderen Großkapitalisten unterstützt, schon in der Novemberrevolution 1918/1919 die Bluttaten der Konterrevolution vorbereiten und rechtfertigen half. Der Antikommunismus, dessen konsequenteste und aktivste Verfechter die Hitlerfaschisten waren, ist heute jedoch raffinierter. Er nutzt die Fehler und Vergehen von Kommunisten aus und lastet faktisch die schweren Verbrechen Stalins und seiner Gesinnungsgenossen in der internationalen kommunistischen Bewegung allen Kommunisten an, diffamiert sie und ignoriert weitgehend den selbstlosen Einsatz unzähliger Kommunisten für die Interessen der werktätigen Menschen, ihren Kampf gegen Faschismus und Krieg, gegen dessen Hintermänner und Nutznießer. Namen vor allem kommunistischer Kämpfer gegen das Hitlerregime verschwanden von Straßenschildern. Betrieben und Schulen wurden entsprechende Namen genommen. Polizei schützt rechtsradikale Demonstrationen und prügelt auf Antifaschisten ein. Besonders widerwärtig ist es, wenn Opfer des faschistischen Terrors und die faschistischen Täter gleichgesetzt werden.

So gab es auch Bestrebungen, neben anderen nach Antifaschisten benannten Straßen auch die Judith-Auer-Straße umzubenennen. Doch gab es hiergegen hartnäckigen Widerstand. Der bekannte und beliebte Schauspieler Peter Bause berichtet in seiner Autobiographie, dass er und seine Frau, als sie von diesem Vorhaben erfuhren, an den damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der deutschen Juden Ignaz Bubis die schriftliche Bitte richteten, „doch Judith Auer zu retten“. Dieser dankte in einem bewegenden Brief.

Der Straßenname hat ebenso wie viele andere diesem Bildersturm widerstanden, weil es viele Proteste hiergegen gab.

Leben und Taten von Kommunisten werden verleumdet oder verschwiegen. Selbst der Begriff Antifaschismus gilt vielfach als anrüchig, besonders bei jenen, die heute durch die Erosion des Asylrechts dem Rechtsextremismus neue Nahrung geben, die davon ablenken wollen, dass die Parteigänger der Nazis in der Wirtschaft, der Politik, der Justiz, im Militär wie im Bildungswesen im westdeutschen Staat in führenden Positionen saßen. So wird zugleich geholfen, jene gesellschaftlichen Kräfte zu entlasten, die das nationalsozialistische Regime aus Macht- oder Profitinteressen unterstützten. Auch darum wollen wir am Leben meiner Mutter zeigen, dass die Frauen und Männer in der Kommunistischen Partei Deutschlands Menschen mitten aus dem Volk waren, die die Sorgen und Nöte ihrer Mitmenschen teilten und wie sie lebten, arbeiteten, feierten, ihren Interessen nachgingen. In einer Frage unterschieden sie sich jedoch von der großen Mehrheit. Geleitet von ihren Idealen setzten sie sich mit ihrer ganzen Person gegen das menschenverachtende faschistische Regime und dessen Kriegspolitik für soziale Gerechtigkeit, für den Frieden, für eine neue gesellschaftliche Ordnung ohne Ausbeutung und Unterdrückung der werktätigen Massen ein. Hierbei trafen sie sich mit Hitlergegnern unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Richtungen. Das Andenken an sie hochzuhalten, ist unser Anliegen, im Sinne jener Worte an mich, die wir ihrer Biographie als Titel gaben.

Nach dem Erscheinen unseres Büchleins erfuhren wir von Dr. Owe Gustavs, einem Enkel der Pfarrerfamilie auf Hiddensee, mit der sich meine Mutter eng verbunden fühlte, dass sich im Nachlass von Arnold, Helene und Annalise Gustavs uns bisher unbekannte Briefe von meiner Familie befinden. In der hier vorliegenden überarbeiteten und erweiterten Neuauflage haben wir diese Materialien ausgewertet. Einen wesentlichen Teil dieser Quellen konnten wir der Dokumentation „Reichsgottesdienst auf Hiddensee 1933–1945“ von Owe Gustavs entnehmen. Dort nicht abgedruckte Dokumente aus diesem Nachlass haben den Quellenvermerk „Slg. Gustavs“. Sie sind nach Kopien zitiert, die uns Owe Gustavs zur Verfügung gestellt hat. Hierfür sagen wir ihm unseren Dank.

Die uns jetzt zugänglich gewordenen Materialien ermöglichten es, unsere Ausführungen zu ergänzen und zu präzisieren. Der Anregung von Lesern folgend haben wir uns entschlossen, einige Originaltexte meiner Mutter der Biographie beizufügen. Im Unterschied zur ersten Auflage werden jetzt alle Texte in ihrer originalen Schreibweise wiedergegeben, also nicht der neuen Rechtschreibung angepasst.

Inzwischen ist mein lieber Mann im Alter von fast 90 Jahren verstorben und kann so das Erscheinen der ihm so wichtigen 2. Auflage nicht mehr miterleben.

 

Ruth Hortzschansky