Liebe Leserinnen und Leser,

die Syntax-Studie hat sich zu einer epochalen Untersuchung der Koronarrevaskularisation mit ganz bemerkenswerten Ergebnissen entwickelt, die von der Datenlage der bisherigen „randomized clinical trials“ (RCT) in entscheidenden Punkten abweicht. Dies ist zweifellos wesentlich auf ein grundsätzlich anderes Studiendesign zurückzuführen: die Syntax-Studie intendierte, die Behandlungsrealität besser wiederzugeben und diesem Anliegen wurde mit einem All-comers-Design Rechnung getragen. Grundsätzlich anders gelagert waren aber auch die Entscheidungs- und Strategiewege im Heart-team-Konzept; erstmals erfasste man die Komplexität der koronaren Herzkrankheit systematisch, auch wenn der sogenannte Syntax-Score nicht prinzipiell seiner Gewichtung nach validiert wurde, sondern eher auf den praktischen Erwägungen einer terzilen Betrachtungsweise basiert. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass die SYNTAX-Studie in ihrer Ausrichtung auf eine praxisnahe Behandlungsrealität die Ergebnislage von artifiziellen RCTs mit einer Einschlussrate von 3–7% der gescreenten Patienten mit der Ergebnissituation einer Registeranalyse verbindet, wie beispielsweise des New York Heart Registry’s, über das in den verschiedenen Hannan-Publikationen ausführlich informiert wurde.

Für diejenigen von Ihnen, die nicht die Gelegenheit hatten, den Sonntagmorgen des 2. Oktober 2011 beim Annual Meeting der EACTS in Lissabon verbringen zu können, sei berichtet, dass Patrick Serruys als kardiologischer Principal Investigator die 4-Jahres-Ergebnisse des Gesamtkollektivs der randomisierten Patienten detailliert darstellte.

In general persisting positive trends for surgery?

Es konnte jedenfalls erstmals eine signifikant bessere Überlebensrate für das chirurgische Gesamtkollektiv mit einer Gesamtmortalität von 8,8% für die Chirurgie im Vergleich zu 11,7% für PCI konstatiert werden. Hier sei daran erinnert, dass die Überlebensraten im gesamten Verlauf, also insbesondere auch in der Frühphase in den ersten 30 Tagen, in der Chirurgie ungeachtet aller Invasivität günstiger sind als für die Intervention, sowohl in der Betrachtung der Gesamtmortalität als auch des Herztods. Mit Blick auf den Herztod ist die Differenz nach vier Jahren sogar noch evidenter: 7,6% Sterblichkeit bei PCI vs. 4,3% Sterblichkeit bei CABG.

Darüber hinaus haben sich auch die signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Auftretens myokardialer Infarkte und auch des Bedarfs für eine erneute Revaskularisation („repeat revascularization“) bestätigt, während die Inzidenz von Schlaganfällen nach vier Jahren keine wesentlich verschiedenen Ergebnisse zeitigt. Für den Patienten eine glänzende Perspektive: besseres Überleben mit weniger Infarkten, einem stabileren Ergebnis und erhöhter Sicherheit.

In der Subgruppenanalyse mit niedrigen, intermediären und hohen Score-Werten hinsichtlich der Komplexität der KHK – und hierbei werden per definitionem Gruppen von jeweils etwa 300 Patienten miteinander verglichen – findet sich dann im Low-score-Bereich lediglich ein signifikanter Vorteil hinsichtlich des Bedarfs für eine erneute Revaskularisationen, während es schon bei intermediärer Komplexität zu signifikant mehr Infarkten nach PCI (9 vs. 3,6%) kommt; im hochkomplexen Bereich – vielfach die Alltagssituation für den Chirurgen – zeigt sich gar ein dramatischer, 8-%iger Unterschied in der Todesrate (PCI 16,1%, CABG 8,4%) ebenfalls verbunden mit weniger Infarkten und weniger Bedarf für erneute Revaskularisation.

Die Frage an den Patienten lautet: Wollen Sie sich lieber einer sicheren, hochpräzisen Bypassoperation unterziehen, die Ihnen ein langes Überleben mit hoher Lebensqualität und weitgehender Beschwerdefreiheit ermöglicht oder ziehen Sie einen eleganten, weniger invasiven Eingriff vor, der jedoch in Ergebnisqualität und Nachhaltigkeit der Bypassoperation nicht das Wasser reichen kann?

Meine sehr verehrten Damen und Herren Leser, Sie sehen, die Diskussion bleibt spannend und Herzchirurgen sollten unbedingt die aktuelle Datenlage zur Koronarrevaskularisation kennen, auch um die Basis aktueller Leitlinien präsent zu haben. Diese Leitlinien wiederum sind Pflichtlektüre für jeden herzchirurgisch tätigen Arzt; hier wird momentan an der Anpassung der Europäischen Guideline auf deutsche Verhältnisse (Nationale Versorgungsleitlinie „Chronische koronare Herzkrankheit“) gearbeitet, um in der kollegialen Heart-team-Diskussion bestens argumentieren zu können.

Auch im Namen der anderen Herausgeber wünschen ich Ihnen viel Spaß bei der Lektüre der aktuellen Ausgabe, auch wenn Sie in ihr zur neuen Datenlage der Syntax-Studie noch keinen Artikel finden.

Ihr

Prof. Dr. Jochen Cremer