1 1 Einleitung

In verschiedenen Flüssen in Europa und Nordamerika wird seit einigen Jahren ein Rückgang der Fischbestände beobachtet. Auch die Fischbestände in der oberen Donau zwischen Sigmaringen und Ulm sind seit Ende der 1980er-Jahre stark rückläufig. Insbesondere die Äsche (Thymallus thymallus) ist von diesem Rückgang betroffen, aber auch Fischarten wie die Barbe (Barbus barbus) sind in ihren Beständen zurückgegangen. Trotz intensiver bestandsstützender Maßnahmen und einer deutlichen Verbesserung der Wasserqualität entlang der Donau seit den 1970er-Jahren konnte dieser Entwicklung nicht entgegengewirkt werden (Keiter et al. 2009).

2 2 Ziel

In diesem Übersichtsbeitrag soll ein Überblick über die verschiedenen Untersuchungen zum Rückgang der Fischbestände in der oberen Donau gegeben werden. Ein Schwerpunkt des Beitrages liegt auf der Vorstellung einer Weight-of-Evidence-Studie, die in den Jahren 2002 bis 2009 am Institut für Zoologie der Universität Heidelberg durchgeführt wurde. In der integrierten Studie wurde das Triade-Konzept zu einer Weight-of-Evidence-Strategie mit unterschiedlichen Beweislinien (lines-of-Evidence) erweitert (Abb. 1, vgl. Chapman und Hollert 2006). Eine detailliertere Übersichtsdarstellung zu dieser Thematik geben Keiter et al. (2009).

Abb. 1
figure 1

In dieser Studie wurde das Triade-Konzept zu einer Weight-of-Evidence-Strategie mit unterschiedlichen Beweislinien (Lines-of-Evidence) erweitert (vgl. Chapman und Hollert 2006)

3 3 Ergebnisse und Diskussion

Die obere Donau wurde in den 1920er-Jahren in weiten Abschnitten begradigt und dadurch hydromorphologisch stark verändert. Das Makrozoobenthos als bedeutende Nahrungsquelle für viele Fischarten ist ebenfalls von Veränderungen in den morphologischen Verhältnissen in einem Gewässer betroffen, jedoch konnte bei entsprechenden Untersuchungen in den vergangenen Jahren keine gravierende Störung in der Makrozoobenthos-Zusammensetzung festgestellt werden. In den vergangenen Jahrzehnten wurden in der Donau hauptsächlich Untersuchungen zur Gewässergüte durchgeführt, die sich im Zuge von Aus- und Neubau zahlreicher Kläranlagen stetig verbessert hat. Untersuchungen zur Belastung mit prioritären organischen Schadstoffen in Sedimenten hingegen begannen erst Mitte der 1990er und zeigten zunächst eine deutliche Abnahme z. B. der Konzentrationen mehrkerniger aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAHs). Ergebnisse eigener Untersuchungen ergaben jedoch sehr hohe PAH-Konzentrationen in zwei Sedimentproben (Schwarzach Σ 16 PAHs = 26,3 mg/kg; Öpfingen Σ 16 PAHs = 5,3 mg/kg; Keiter et al. 2008).

Im Jahr 2002 wurde die obere Donau erstmals unter ökotoxikologischen Gesichtspunkten untersucht (Keiter et al. 2006). Dabei wurde für verschiedene Abschnitte der oberen Donau ein hohes ökotoxikologisches Belastungspotenzial festgestellt. Als direkte Folge dieser Studie wurde im Sinne des Weight-of-Evidence-Konzeptes eine umfassende Untersuchung der oberen Donau initiiert, um mögliche Ursachen für den Fischrückgang und Belastungsschwerpunkte zu identifizieren. Neben Untersuchungen zur ultrastrukturellen Organisation der Leber an der Barbe (Barbus barbus) wurde der Mikrokerntest als definitiver Mutagenitätstest an Erythrocyten und Leberproben von Barben aus dem Freiland und entsprechenden Kontrolltieren als In-situ-Test durchgeführt. Die verschiedenen In-vitro-Biotestbefunde (Seitz et al. 2008) korrelierten auch mit den Befunden aus den In-situ-Tests (Böttcher et al. 2009; Grund et al. 2009a).

Nachdem eine insgesamt hohe dioxinähnliche Aktivität nachgewiesen werden konnte (Keiter et al. 2008; Otte et al. 2008), wurden die Sedimentproben in drei Instituten parallel mit drei verschiedenen Biomarkern für Ah-Rezeptor-Agonisten untersucht (Keiter et al. 2008). Dabei wurden in allen eingesetzten Testverfahren sehr hohe TCDD-Äquivalenzkonzentrationen ermittelt, sodass die Donausedimente dieser Standorte im Vergleich zu anderen untersuchten Sedimenten deutscher Einzugsgebiete als hoch belastet klassifiziert werden müssen. Von der vergleichsweise hohen Aktivität der Sedimente im EROD-Assay (Biomarker für dioxinähnliche Substanzen) konnte in chemischen Analysen jedoch nur ein geringer Anteil durch prioritäre Schadstoffe erklärt werden. Mit einer einfachen effektdirigierten Analyse (Multilayerfraktionierung) konnte hingegen gezeigt werden, dass ein Großteil der dioxinähnlichen Aktivität an diesen Standorten von unbekannten und mäßig persistenten Schadstoffen ausging. Eine Ausnahme stellte der Zufluss Schwarzach dar, für dessen Sedimente eine Summenkonzentration von 26,3 mg/kg für die EPA-PAHs ermittelt werden konnte, sodass sie mit dem ATV-Klassifikationsschema der ARGE Elbe in die Qualitätsklasse V (schlechteste Qualitätsklasse nach ATV) gruppiert wurden. In dieser Probe konnten etwa 50 % der dioxinähnlichen Wirksamkeit im Biotest durch prioritäre PAHs und ca. 20 % durch persistente Schadstoffe (u. a. PCBs und PCDD/Fs) erklärt werden (Keiter et al. 2008). Insgesamt verdeutlichen diese Befunde, dass in den meisten Fällen mit den Konzentrationen der chemisch quantifizierten organischen Schadstoffe (Liste der prioritären Stoffe aus dem Anhang der EU-WRRL sowie zusätzliche PCDD/Fs) die nachgewiesenen starken biologischen Effekte nicht erklärt werden können. Es liegt daher – analog zu anderen Untersuchungen in europäischen Flusseinzugsgebieten – der Schluss nahe, dass nicht-prioritäre organische Schadstoffe in den Sedimenten für die Effekte in den Biotests und möglicherweise auch für einen Großteil der Feldeffekte (Mikrokerntest in situ, histopathologische Veränderungen der Fische, Störungen der Altersstruktur der Fische) verantwortlich sind (Brack et al. 2007; Hollert et al. 2007; Keiter et al. 2009).

4 4 Ausblick

Durch die in der Weight-of-Evidence-Studie verwendeten Tests konnte gezeigt werden, dass an der Donau eine erhebliche ökotoxikologische Belastungssituation vorliegt, die auch einen Einfluss auf die Fischpopulationen ausüben könnte. Jedoch werden noch weitere Untersuchungen notwendig sein, um letztlich die genauen Ursachen für den Rückgang der Fischpopulationen zu identifizieren. Derzeit wird hierzu eine effektdirigierte Analyse zur Identifizierung der beteiligten Stoffe und deren mögliche Quellen durchgeführt, deren Befunde ebenfalls vorgestellt werden (Grund et al. 2009b, 2009c; Higley et al. 2009). Außerdem wird innerhalb dieser Studie das endokrine Belastungspotenzial der Donau mittels histopathologischer Untersuchungen an Gonaden aus Freilandfischen und verschiedener In-vitro-Testverfahren abgeschätzt. Des Weiteren sollen in einem geplanten Verbundprojekt COMPSEARCH durch vergleichende Untersuchungen verschiedene Eintragspfade auf ihr ökotoxikologisches Schädigungspotenzial sowie der potenzielle Einfluss des Wandels der Landnutzung überprüft werden.