UID:
kobvindex_JMB00014051
Format:
94 Seiten
ISBN:
3932981502
Content:
Die Auswanderungsvorbereitungen für jüdische Jugendliche, die seit den zwanziger Jahren nach Palästina gehen wollten, ist ein Desiderat der Zeitgeschichte. Mit dieser - wenn auch schmalen - Publikation werden die Defizite etwas reduziert. Andreas Paetz und Karin Weiss haben einen fundierten Überblick über das weitverzweigte Netz der Hachscharah-Stätten in Brandenburg zusammengestellt. Sie hatten von 1994 bis 1996 an der Fachhochschule Potsdam ein Forschungsprojekt über "Jüdische Reformpädagogik im Land Brandenburg" durchgeführt und die pädagogischen Konzepte nachgezeichnet, um sie für die heutige pädagogische Praxis nutzen zu können. Sie erinnern an die wörtliche Bedeutung von "Hachscharah"=Tauglichmachung, womit die organisierte Vorbereitung auf ein Leben in Palästina/Israel gemeint ist. In dem Potsdamer Projekt wurden Spuren von 24 Orten gefunden, in denen jüdische Jugendliche zwischen 1930 und der brutalen Schließung 1943 ausgebildet wurden. Neben dem Landwerk Ahrensdorf (bei Trebbin) - dem ein eigener Kurzbeitrag (Fiedler) gewidmet ist - befanden sich Hachscharah-Stätten in Altkarbe, Bärenklau (bei Velten), Beerfelde (bei Fürstenwalde), Belzig, Eichwo (bei Cottbus), Halbe, Havelberg, Hennigsdorf, Jessen (Niederlausitz), Kaisermühl (bei Müllrose), Lötze (bei Rathenow), Neuendorf im Sande (bei Fürstenwalde), Polenzwerder (bei Eberswalde), Rüdnitz, Schniebinchen (Niederlausitz), Schönfelde (bei Fürstenwalde), Skaby (bei Spreehagen), Steckelsdorf (bei Rathenow), Valentinenhof (bei Oranienburg), Winkel und Wulkow (beide bei Spreehagen). Diese Ausbildungseinrichtungen bestanden unterschiedlich und können manchmal noch identifiziert werden, was zu einer Besichtigung oder zur Berücksichtigung im Schulunterricht oder in der politischen Bildungsarbeit anregen könnte. Relativ ausführlich dargestellt werden die Geschichte des Markenhofes bei Kirchzarten im Schwarzwald (Tromm), wo sich ein zionistisch orientiertes Lehrgut befand, sowie die ebenfalls zionistische Erziehung im Kibbutz Brüderhof bei Harksheide nördlich von Hamburg (Bußenius). Abschließend kommt die Auslandshachscharah in Dänemark (Tiusanen) zur Sprache, als Beispiel für ebenfalls in den Niederlanden, dem früheren Jugoslawien, Italien, Frankreich und Schweden vorhanden gewesene ähnliche Einrichtungen. Das Buch verdeutlicht, daß sich in der NS-Zeit mit dem Wort Hachscharah die Hoffnungen vieler jüdischer Jugendlicher verbanden, die eine gärtnerische, landwirtschaftliche, handwerkliche oder hauswirtschaftliche Ausbildung erhielten, um in Palästina zu leben. Wem aber bis 1941 nicht die Ausbildung gelang, wurde ab 1942 in die Vernichtungslager deportiert. Dies betraf viele Lehrerinnen und Lehrer, die sich solange engagiert hatten, bis es zu spät war. Dies ist eine besondere Tragik der Hachscharah-Geschichte.
Language:
German
Author information:
Weiss, Karin
Author information:
Paetz, Andreas
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