Format:
Illustrationen (schwarz-weiß)
ISSN:
0177-2619
Content:
Wenn einer mit einem Kunstführer in der Hand durch Kempen wandelt, um die Sehenswürdigkeiten dieser schönen Stadt zu besuchen, und plötzlich vor einem spätgotischen Haus steht, wie er's gerade in Xanten oder Kalkar gesehen haben mag: Hat da der Verfasser des Kunstführers etwas übersehen, oder ist durch die eifrige Tätigkeit der Denkmalpflege jüngst ein verborgener Schatz der Architekturgeschichte gehoben, also durch kenntnisreiche Rekonstruktion ein Hüttchen zum stattlichen Bürgerhaus gemacht worden? Weder das eine, noch das andere. Hier hat jemand die Baukultur, die der Niederrhein im "Herbst des Mittelalters" besaß und seitdem nicht wieder erreichte, so geschätzt, daß er seinen im vergangenen Jahr errichteten Neubau mit Stufengiebel und Kreuzstockfenstern versah. Ob das Haus auch ein spätgotisches Bad besitzt? Schließlich war - zeitgenössischen Abbildungen zufolge - der damalige Badebetrieb durchaus vielseitig und in jeder Hinsicht gesellig. Aber wird im Einzelfall nicht allgemein Gültiges spürbar? Greifen nicht überall Planer, Architekten und Bauherren auf Gewesenes zurück, als wollten sie "heim ins Reich", in die vermeintlich heilige und unzerstörte Umwelt nach dem Kriege? Wie ist es um das Selbstbewußtsein unserer Gegenwart bestellt, die sich so hemmungslos der Historie bedient, nachdem doch der Historismus des 19. Jahrhunderts vor noch gar nicht langer Zeit gescholten wurde? Da ist oft genug der Denkmalpfleger der einzige, der für einen Neubau modernere Formen, wie sie dem Jahre 1986 angemessen sind, verlangt.
In:
Denkmalpflege im Rheinland, Münster : Aschendorff Verlag, 1984, 3(1986), 3, Seite 44, 0177-2619
In:
volume:3
In:
year:1986
In:
number:3
In:
pages:44
Language:
German
Keywords:
Kempen
;
Neubau
;
Gotik
;
Architektur
;
Rezeption
;
Denkmalpflege
;
Geschichtsphilosophie